Da ich immer wieder mal gebraucht Motorradbekleidung erworben habe, habe ich inzwischen auch eine recht umfangreiche Sammlung an Nierengurten. Eher unfreiwillig, denn beim Kauf einer Lederhose lag dann ein Nierengurt aus Neopren bei. Das Gleiche wiederholte sich beim Kauf einer Textiljacke. Beide Male schrieben mir die Verkäufer, das sie die Nierengurte aufgrund der Aufgabe vom Hobby nicht mehr benötigen würden und »bevor ich den Gurt wegwerfe, schenke ich ihn dir«.
Zwischenzeitlich hatte ich so über 8 Nierengurte, welche ich dann ebenfalls auf die gleiche Art weiterverschenkt habe. Trotzdem habe ich noch immer ein paar Exemplare, leider nicht mehr meinen aller ersten Nierengurt, welchen ich mir für stolze 40 Franken in der Schweiz gekauft hatte. Den den hatte ich nach dem Kauf einer Protektorenweste im Freundeskreis weiterverkauft.
Braucht man überhaupt einen Nierengurt? Welche Funktion hat dieses in der Regel ohnehin verdeckt getragene Bekleidungsstück und wie hat es sich im Laufe der Jahre verändert? Auf dem Bild rechts ist ein Exemplar aus den späten 1980ern zu sehen. Seit dem in Familienbesitz – und noch immer gut erhalten.
»Ein Nierengurt schützt die Nieren vor Erschütterungen« wird gerne und häufig wiederholt. Dank Internet nicht mehr nur an Stammtischen sondern auch mutmaßlich tagtäglich in irgendwelchen Foren. Daher eine kurze Frage: »Hast du schon einmal einen Marathonläufer mit Nierengurt gesehen?«.
Die Namensgebung des Nierengurts hängt mit der Position wie er getragen wird zusammen. Man nennt ihn so weil er auf er auf der Höhe der Nieren getragen wird. Der normale Gürtel wird deutlich tiefer getragen, bei den Jugendlichen zwischen 2009 und 2013 saß der normale Gurtel an der Kehrseite übrigens üblicherweise knapp unter dem Gesäß und das wurde dann »Sagging« genannt. Ein kurzlebiger Trend, welcher vermutlich in acht bis zehn Jahren wiederentdeckt wird. Da ist der Nierengurt schon deutlich langlebiger und wird auch dort getragen wo er hingehört: Auf die Höhe der Nieren. Aber warum eigentlich?
Was nicht zutrifft ist die Annahme, das in der Zeit von hochmodernen Funktionsbekleidungen der Nierengurt seine Daseinsberechtigung vollständig verloren hat. Wer den Gurt als ein Überbleibsel aus früheren Zeiten bezeichnet tut ihm Unrecht.
Ja, inzwischen sind Jacken und Hosen anders geschnitten, man trägt Funktionsunterwäsche auf dem Motorrad und kann sich vor unerwünschtem Luftzug am Rücken auch mit einem Reißverschluss schützen, welcher die Hose mit der Jacke rundherum (oder zumindest auf etwa 30 Zentimeter) verbindet.
Wer im Sommer durchgeschwitzt ist und dann eine schattige Passage fährt, spürt ohne Nierengurt sofort was los ist: Der Schweiß am Rücken verdunstet, es wird merklich kühler. Manchem kommt das vielleicht sogar noch kurz angenehm vor, zu kühl ist aber gar nicht gut.
Wenn die Muskeln in diesem Bereich zu kühl werden, kann es zu Verspannungen und zu auch starken Schmerzen kommen. Gerade auf dem Motorrad sollte man jedoch entspannt und schmerzfrei unterwegs sein. Ansonsten hat man nicht nur Spaß sondern ist auch unkonzentiert. Sich unangenehm zu fühlen oder gar mit Schmerzen zu fahren sind keine guten Voraussetzungen für eine sichere Fahrt.
Somit kann man festhalten das der Hauptzweck eines Nierengurtes damals wie heute der Schutz vor Unterkühlung ist. Dies kann auch schon ein dünner Nierengurt mit einer Windstoppermembran bewerkstelligen. Alternativen sind natürlich das gute, alte Leder oder die Variante aus Neopren.
Was der Nierengurt nicht sein soll: Ein Korsett. Dennoch pflichten mir viele bei das eine gewisse Stützwirkung einen durchaus angenehmen Effekt hat. Wer eng anliegendes Leder hat nimmt dies nicht so sehr wahr. Die Nutzer von Textilbekleidung (oder Wechsler zwischen Leder und Textil) melden diesen angenehmen Stützeffekt jedoch zurück.
Wer nicht lang und weit fährt, kommt vermutlich auch gänzlich ohne extra Nierengurt bei der Verwendung von moderner Motorradbekleidung aus. Ich fahre teilweise über 10 Stunden an einem Tag (inklusive Pausen) und dies entweder mit Nierengurt oder aber mit Protektorenweste mit integriertem Nierengurt.
Vor etlichen Jahren bin ich auf meinem 125er Automatikroller in der Schweiz einmal ohne Nierengut gefahren. Ich hatte ihn vergessen anzulegen und wollte »nur kurz eine kleine Runde fahren«. Nach den ersten zwei Kilometer hat »irgendwas nicht gepasst«. Obwohl bekanntlich nur maximal 80 km/h auf den Landstraßen erlaubt sind wurde es unangenehm kühl im Rücken. Ich habe damals eine Tourenjacke (langer Schnitt) von IXS mit Thermofutter getragen. Die 80 km/h haben schon gereicht das ich die Zugluft – trotz Jacke mit Gurt und hochgeschnittener Textilhose – unangenehm wahrnehmen konnte.
Ob man einen Nierengurt während der Fahrt spürt? Ich kann es jedenfalls spüren wenn er nicht da ist.
Ein Blick zurück ins vergangene Jahrtausend. Klingt dramatisch, ist es zum Teil auch. Damals, also vor rund 20–30 Jahren fuhr man üblicherweise Leder. Sowohl als Jacke wie auch als Hose (und eventuell auch als Halstuch), denn die multifunktionalen Textilklamotten gab es noch nicht in so ausgefeilter und zahlreicher Variation wie heute. Die Harro »Rennweste« mit Teddyfutter (Fellimitat) und integriertem Nierengurt war das, was als High-End angesehen und getragen wurde.
Der »integrierte Nierengurt« war nicht bei allen Jacken vorhanden, daher trug mancher auch so ein Exemplar wie es auf den Bildern zu sehen ist. Auch beziehungsweise gerade im Sommer wurde es gerne mal frisch unter den häufig kurz geschnittenen Lederjacken, welche damals in der Regel noch nicht mit den Hosen mit einem pfiffigen Reißverschluss verbunden waren. Zumindest in den meisten Fällen nicht. Solche Bekleidung gehört auch heute noch für viele zum stilechten Führen vom Cruiser, Cafe Racer oder an die 60er/70er Jahre Optik angelehnter Motorräder.
Kleine Taschen waren durchaus üblich, so hat auch dieses Exemplar zwei Taschen mit Reißverschluss für ein paar Münzen, dem Hausschlüssel oder sonstigem Kleinkram. Mehr passt dann aber auch wirklich nicht rein.
Man kann auch heute noch Nierengurte aus Leder kaufen. Teilweise in der klassischen alten Optik gehalten, teilweise auch mit moderen Elementen und technischen Gimmicks wie etwa Heizelementen, welche es dem Winterfahrer ermöglichen wieder am Rücken wohlige Wärme verspüren zu können. Oder eben die oben bereits genannte Maschine von Cruisern und Cafe Racern, welche der Optik halber auf Schutzbekleidung zurückgreifen, welche den Rücken leider nicht optimal gegen den Fahrtwind schützt – außer in Verbindung mit einem Nierengurt.
Aufgepasst wer sich so etwas kaufen will: Es sollte ein Nierengurt mit elastischen Bereichen sein. Wenn er einfach nur als ein Lederstreifen mit Schnallen ausgeführt ist, wird er beim erstem Atemvorgang womöglich verrutschen. Das sorgt auf Dauer für keine Freude am frisch erworbenen Retro-Nierengurt. Insbesondere die ganz günstigen Ledernierengurte bei Onlineshops lassen einen beziehungsweise zwei elastische Bereiche bei der Produktion scheinbar gerne mal weg.
Braucht man im Zeitalter vom allgegenwärtigen Klettverschluss noch immer die Metallschnallen? Anscheinend ja. Zumindest für die Optik sind sie wohl wichtig. Man findet nur wenige Ledernierengurte ohne Metallverschluss. Entweder wie bei dem Modell hier als Hakenverschluss ausgeführt oder eben als klassischer Gurt mit Dorn und gelochtem Lederstreifen.
Wer trägt denn heute solche Gurte aus Leder? Man sieht sie kaum. Den letzten habe ich jedoch mutmaßlich dieses Jahr gesehen. Metallschließen vorne wird kein Neoprengurt gehabt haben. Die übrige Bekleidung vom Fahrer war sehr sommerlicht: T-Shirt, Helm, Hose und Turnschuhe waren genug bei über 30°C und Sonnenschein. Aber auf den großen, schwarzen Nierengurt konnte oder wollte der Fahrer des chromverzierten schwarzen Cruisers nicht verzichten.
Abschließend als Fazit: Ist ein dick auftragender Ledernierengurt überhaupt noch zeitgemäß für die breite Masse? Ich denke man kann hier durchaus »Ja« sagen. Das Leder klimatisiert von Natur aus, ist bekanntlich auch ohne Windstopper top gegen Zugluft. Allerdings sollte man sich das gewünschte Modell genau anschauen. Elastische Bereiche sind ein Muss, ebenso sollte man überprüfen aus was die mutmaßlich gepolsterte Innenseite ist. Nicht das sich da Neopren versteckt, denn sonst schwitzt man ordentlich (siehe hierzu meine Ausführungen weiter unten bei den Neoprengurten).
Ebenfalls Finger weg von den Modellen mit (Kunst)Fell. Mag zwar richtig Oldschool aussehen, ist aber definitiv von leistungsfähigeren Materialien abgelöst worden – auch beim Nierengurt aus Leder.
Als »aktuellen Stand der Technik« kann man Nierengurte mit Materialmix bezeichnen. Im Gegensatz zum Gurt aus Leder sind sie häufig sehr dünn. Moderne Materialien wie Windstoppermembran oder auch Thinsulate (teilweise als abnehmbares Thermofutter ausgeführt) erlauben eine dünne Konstruktion.
Verwendet wird häufig Polyester, da es die Feuchtigkeit leichter abtransportiert beziehungsweise weniger Feuchtigkeit im Vergleich zu Nylon aufnimmt.
Da den Modellen aufgrund des Materials häufig eine gewisse Stabilität fehlt, sind kurze Streben aus Kunststoff (meistens Nylon) eingearbeitet. Der Nierengurt von Büse hat mir in der Zeit vor dem Kauf meiner Protektorenweste lange gute Dienste geleistet.
Der Zahn der Zeit hat aber auch schon an ihm genagt, denn eine der Nähte ist aufgegangen und ich konnte dort für das Bild einen der beiden Stützstreben etwas herausziehen. Der Gurt wird trotz der Streben nicht zum Korsett. Beim Anlegen wird aber sicherlich gerade durch die Streben verhindert das er sich verdreht oder zur Hälfte umklappt.
Der Verschluss ist durch einen großflächigen Klettverschluss gelöst, welcher im Vergleich zum Ledernierengurt natürlich deutlich weniger Platz in Anspruch nimmt. Zudem sind keine störenden Metallverschlüsse vorhanden. Daher kann man einen solchen Nierengurt auch so tragen das er mit in der Hose steckt – ich weiß das einige von euch den Nierengurt unter der Jacke aber über der Hose tragen.
Klang bisher gut beim Lesen? Dem ist auch so. Allerdings hat der Materialmix auch seine Schwächen. Er macht den Nierengurt zum Allrounder der viel kann, aber nichts 100%ig. Wer eine Stützfunktion sucht und bisher Leder hatte, wird enttäuscht sein. Wer ein Modell ohne Thinsulate und/oder Windstopper nimmt, wird im Herbst und Frühling eventuell frieren. Daher Testberichte vor dem Kauf vom ins Auge gefassten Modell genau lesen!
Die Variante aus Neopren ist wohl jene, welche am häufigsten verkauft wird. Sie sind teilweise schon für unter 10 Euro zu finden, mit Superdupersonderrabatt (und großem Werbeaufdruck) auch schon mal für unter 5 Euro.
Die Konstruktion ist sehr einfach: Der Synthesekautschuk welchen wir als Markennamen »Neopren« wird von einem Textilgewebe aus Nylon oder Lycra umschlossen. als Gurt mit Klettverschluss angeboten. Einfach in der Herstellung, problemlos in der Anwendung könnte ein Werbeslogan dafür sein.
Wirklich problemlos? Na ja... Meine Erfahrungen sind genau die, welche andere auch hatten: Das Ding sorgt dafür das der sich sammelnde Schweiß erst einmal nicht in eventuell vorhandener Zugluft verdunsten kann. Sprich: Man schwitzt im Sommer wie blöd unter dem Gurt – und das einmal runterhum um den Körper.
Die Neoprengurte sind günstig aber nicht atmungsaktiv. Daher kann es auch dazu kommen das einem selbst an kühlen Tagen (wo man glaubt nicht schwitzen zu müssen) es plötzlich kühl im Kreuz wird wird. Dann hat man unter dem Gurt trotzdem geschwitzt und der Schweiß verdunstet nun. Wer sich ein T-Shirt aus Baumwolle zwischen Gurt und Körper packt wird sein nasses Wunder erleben.
Das Modell mit unbekanntem Alter habe ich geschenkt bekommen. Daher kann ich nur das beschreiben und beurteilen was ich sehe – unabhängig vom Alter. Ich gehe aber davon aus das der Gurt etwa 10 Jahre alt ist. Das gleiche Modell hatte ich vor etwa 8 Jahren mit dem typischen Hein Gericke Logo darauf schon mal gesehen beziehungsweise in den Händen gehalten.
Es handelt sich bei dem Gurt um die etwas höherwertigere Version eines Nierengurts aus Neopren. Er ist rundherum mit Textil kaschiert, welches sauber vernäht wurde. Auch der großflächige Klettverschluss fällt bei günstigeren Modellen gerne mal kleiner aus.
Am Etikett kann man gut sehen was ich eingangs beschrieben habe: Der Kern besteht aus Neopren, der Textilstoff schließt diesen Kern ein. So kommt man dann auf 90% Neopren und 10% Nylon.
Leider ist das Material zwar robust und hält auch schön warm, aber es altert auch.
Daher haben die günstigen Neoprengurte auch den Ruf ein Wegwerfprodukt zu sein. Ich weiß nicht wie häufig der Gurt verwendet wurde, ich selbst bin nur wenige Male damit gefahren (mal kurz ohne Protektorenweste in die Stadt) – nur um dann einen völlig verschwitzten Rücken im Bereich vom Neoprengurt zu haben.
Der günstige Preis des Produkts lässt den Verlust und die Neuanschaffung verschmerzen. Einen sehr ramponierten Neoprennierengurt habe ich trotzdem noch in meiner Sammlung herumliegen. Er dient mir im Topcase als Polsterung beziehungsweise »Anti-Rappel-Lösung« für Wasserflaschen oder sonstigem Gepäck.
Unschwer am Logo zu erkennen stammt auch dieser Nierengurt von Hein Gericke. Aber er ist anders konstruiert. Der Textilstoff wurde vermutlich nur verklebt, auf jeden Fall nicht vernäht. Auch das Neopren hat schon deutlich gelitten wie man auf den folgenden Bildern recht gut sehen kann.
Textilbezug und Neopren haben sich voneinander gelöst. Am Rand vom Neopren sind zahlreiche Risse zu erkennen. ich weiß nicht ob der Gurt eine Fahrt in der zu heiß eingestellten Waschmaschine genommen hat, denn auch dieses Exemplar habe ich geschenkt bekommen.
Neopren mag weder heißes Wasser noch eine Extrarunde in einem Trockner. Danach ist das Material in der Regel »fertig«. Könnte gut sein das dies dem Gurt auf den Bildern widerfahren ist.
Aber wie schon geschrieben: Ein Neoprennierengurt kostet nicht viel. Genau dieses Modell ist aktuell für 9,99 Euro (zzgl. Versand) online[1] zu finden. Lust auf Schweiß? Dann zugreifen! Denn der ist bei Neopren wirklich garantiert.
Wieso sich der Nierengurt aus Neopren trotzdem überall findet? Vermutlich nur wegen dem Preis. Wenn er mal wieder im Angebot für 4–5 Euro ist kostet er auch nicht mehr als ein gut gewürzter Döner (welcher einem unter Umständen auch zum Schwitzen bringt ).
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Datum: | 18.09.2016 |
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