Ein Einhandmesser ist ein Messer, welches man mit nur einer Hand öffnen kann. Ursprünglich sind sie angeblich für Menschen mit Behinderung beziehungsweise Kriegsversehrten entwickelt worden, damit auch diese ein Taschenmesser trotz ihrer Einschränkung nutzen können.
Ich habe einige Einhandmesser von Herbertz, welche als Arbeitsmesser ohne besonderen Zierrat und mit einfacher und daher wenig störanfälliger Mechanik angeboten werden. Bereits unter 20 Euro findet man diverse Modelle in diversen Geschäften und natürlich auch online.
Wer ein solches Messer in Deutschland in der Hosentasche spazieren trägt, hat aber unter Umständen ein großes Problem. Bei Messern, welche sich ohne Zurhilfenahme einer zweiten Hand öffnen lassen und die Klinge anschließend automatisch arretiert ist, ist das Führen in der Öffentlichkeit nach § 42a (1) WaffG[1] verboten:
Der dritte Absatz dient dabei bewusst zum Aushebeln des Verbots aus dem ersten Absatz. Wer sein Einhandmesser beispielsweise unter der (abschließbaren) Sitzbank verstaut, im (abschließbaren) Koffer oder Topcase mit sich spazieren fährt, hat nichts zu befürchten wenn er es dann auf dem Campingplatz, beim Angeln oder zwecks Reparatur am Motorrad auspackt. In der Hosen- oder Jackentasche darf es sich bei einer Kontrolle jedoch nicht befinden, denn dann wäre Absatz 2 Nr. 2 nicht erfüllt.
Nachvolziehbar ist die Formulierung, welche am 1. April 2008 im deutschen Waffengesetz (WaffG) Einzug gehalten hat, sicherlich aus einigen Gründen. Ein solches Messer als Angriffs- oder Verteidungswaffe mit sich zu führen, ist nicht erwünscht. Ebenso möchte sich sicherlich keiner mit einem solchen Messer, welches sich eben schnell und unkompliziert öffnen lässt, konfrontiert sehen. Aber was wäre denn, wenn die Klinge zum Beispiel nur 6 cm lang wäre?
Das Herbertz Messer Modell 1008[2] hat eine Klinge von nur 6 cm Länge und ist für etwa 10–15 Euro inkl. Versand online zu finden. Die Klingenlänge von 6 cm ist vermutlich kein Zufall, denn nach der »Anlage zur VERORDNUNG (EG) Nr. 2320/2002 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 16. Dezember 2002 zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften für die Sicherheit in der Zivilluftfahrt über die Leitlinien für die Einstufung von verbotenen Gegenständen« sind erst Messer ab einer Klingenlänge von 6 cm bei Passagieren eines Flugzeugs kritisch. Die Formulierung »[...] Werkzeuge und andere Messer mit Klingen ab 6 cm Länge und/oder Messer, die nach einzelstaatlichem Recht verboten sind [...]« macht es aber für den deutschen Staatsbürger ebenfalls unmöglich, mit einem solchen Messer in der Hosentasche einzuchecken. Denn: Es ist nach dem deutschen Waffengesetz verboten. Auch wenn das Einhandmesser nur ein Winzling mit 20 mm Klingenlänge ist und früher gerne mal mit einem Werbeaufdruck versehen verteilt
wurde.
Macht man sich also tatsächlich strafbar, wenn man so ein Messer mehr oder weniger griffbereit in der Jackentasche auf dem Motorrad mit sich führt? Die klare Antwort scheint das OLG Stuttgart gegeben zu haben. Im Beschluss vom 14.6.2011 (Aktenzeichen 4 Ss 137/11) hat das OLG Stuttgart festgestellt:
Der »Betroffene« war ein KFZ-Mechaniker, welcher in seinem privaten PKW zwei Einhandmeser offen (in der Ablage der Türe) transportiert hat. Sozusagen jederzeit griffbereit. Für ihn war es Werkzeug, bei einer (Verkehrs)Kontrolle waren es für die kontrollierenden Beamten Waffen. So kam es dann auch zu folgendem Urteil:
Quelle für die beiden zitierten Passagen ist das Onlineangebot im »beck-blog«[3]. Ich wollte mir mal ein Einhandmesser mit integriertem Gurtschneider und Spitze wie bei einem Nothammer griffbereit in den PKW legen. Zum Glück habe ich mir das Messer nicht gekauft...
Wer mit so etwas liebäugelt, sollte sich lieber eine Kombination aus Nothammer und Gurtschneider kaufen, welche nicht an einem Einhandmesser integriert wurden. Doch zurück zu dem, was für viele unverständlich ist: Ein Messer mit feststehender Klinge ist dann nicht verboten, wenn die Klinge nicht länger als 12 cm ist.
Um ein solches Messer mal mit dem kleinen Einhandmesser von Herberts gegenüberzustellen, habe ich mein IKEA-Messer ausgepackt: 12 cm Klingenlänge, feststehende Klinge.
Wer auf Nummer sicher gehen will, legt sich also so etwas ins Seitenfach von seinem PKW. Damit gibt es dann keine Probleme von wegen Verstoß gegen § 42a WaffG.
Im Ernst: Natürlich kann man so ein Messer schlecht versteckt führen und dann für eher weniger legale Zwecke missbrauchen. Aber trotzdem: Irgendwie ist das Pauschalverbot von Einhandmessern ohne Angabe der Klingenlänge ein wenig seltsam.
Ich werde auch in Zukunft das kleine Messer von Herbertz bei mir zusammen mit dem übrigen Campinggeraffel dabei haben. In der Werkzeugkiste daheim liegt noch eins mit etwa 10 cm Klingenlänge, welches sich auch schon oft genug bewährt hat.
Nachdem die Gesetzeslage in Deutschland nun ausgiebig beleuchtet wurde, noch ein paar Zeilen zum Herbertz Messer Modell 1008. Die Arretierung der Klinge erfolgt mittels sogenanntem »Liner Lock«. Die Mechanik ist sehr einfach, robust und hat sich schon tausendfach bewährt. Wird die Klinge vollständig aufgeklappt, rastet sie am Ende im Griff an einem Metallstück ein. Dieses Metallstück ist eine Feder, welche fest im Griff angebracht ist. Die Klinge kann sich nun nicht mehr selbständig einklappen, sondern muss dazu entriegelt werden. Die Entriegelung erfolgt, indem die Feder zurück in ihre ursprüngliche Position gedrückt wird. Die Klinge kann dann wieder eingeklappt werden. Ein kleines Stück genügt, dann ist die Feder bereits durch das Ende der Klinge zurückgedrückt und das Messer kann geschlossen beziehungsweise zusammengeklappt werden.
Anders als beim schweizerischen Armeemesser gibt es keine Feder, welche die Klinge im Griff hält. Das Öffnen funktioniert beim Herbertz Messer Modell 1008 mittels einem sogenannten »Flipper«. Wird die kleine Nase aus Metall in den Griff gedrückt, schiebt sich die Klinge auf der anderen Seite heraus. Mit dem Daumen kann man dann durch die Öffnung in der Klinge das Messer vollständig aufklappen und die Klinge einrasten lassen.
Weil die Feder des Liner Lock permanent auf die Klinge drückt, kann sie sich nicht in der Hosentasche (beziehungsweise dem fest verschlossenen Behältnis ) öffnen. Ich hoffe meine Ausführungen waren soweit einigermaßen verständlich? Nein? Dann einfach per Mail nachfragen.
Früher hatte ich immer das gute, alte schweizerische Armeemesser von Victorinox dabei. Nachdem sich das mal wider Erwarten zugeklappt hat und mein Finger im Weg war, will ich nur noch Messer mit Arretierung haben. Das neue »Sackmesser (Modell 08)« aus der Schweiz wäre auch eine Alternative, aber deutlich teurer und ebenso im Konflikt mit § 42a WaffG, da ebenfalls ein Einhandmesser.
Weitere wissenswerte und eventuell auch nützliche Informationen findet man übrigens im www.messerforum.net. Dort wird auch ausführlich darauf eingegangen, welche Messer man in Deutschland mit sich führen darf[4] und welche nicht.
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Datum: | 23.10.2014 |
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Kommentare
Elmar | http://www.ra-mettke.eu
schrieb am 28.12.17 um 20:38 Uhr:
Ich schliesse mich dem Vorredner bedingungslos an, wenn er sagt, dass das (führungs-)verbot von Einhandmessern "ein wenig seltsam" ist. Bei genauerem hinsehen ist es noch viel seltsamer, dass diese Einhandmesser gar nicht dem Waffenrecht unterfallen!
Wieso?
Der Regelungsbereich des deutschen Waffengesetzes ist in § 1 Abs.1 WaffG definiert.
Der Waffenbegriff im Waffengeetz ist in §1 Abs.2 WaffG definiert.
Da “Einhandmesser” im Gegensatz zu Bajonetten oder Kampfmessern nicht dazu bestimmt sind, die Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen (Abs.2 Nr.2a); können sie nur wegen ihrer Beschaffenheit Waffe sein (Abs.2 Nr.2b). Hierzu müssten sie jedoch zwingend in der Anlage 1 zu diesem Gesetz genannt werden (…sagt §1 Abs.4 WaffG).
Da in eben dieser Anlage 1 jedoch nur die verbotenen Spring- Faust-und Fallmesser, sowie Butterflymesser (und Elektroschocker für Tiere) genannt sind, greift §42a WaffG hier in´s Leere und regelt etwas, wo er nix zu regeln hat, da "Einhandmesser" dem Waffengesetz genau so unterfallen wie Damenhandtaschen, Erfrischungsgetränke oder handgestrickte Wollsocken...
Näheres hier:
http://www.rechtsanwalt-mettke.eu/sind-multitools-einhandmesser.55.de.html
X_FISH | https://www.600ccm.info
schrieb am 29.12.17 um 13:54 Uhr:
Hallo Elmar,
vielen Dank für deinen Kommentar. Es schadet nie sich ältere Beiträge noch mal anzuschauen und so gerade auf eventuell eingetretene Veränderungen von Gesetzestexten (oder deren Anwendung in Form von Gerichtsurteilen) hinzuweisen.
Deine Argumentation kann ich nachvollziehen. Jedoch als Verständnisfrage: Es wird in §42a ja explizit mit einem »oder« die Aufzählung in der Anlage 1 erweitert:
»[Es ist verboten] [...] Hieb- und Stoßwaffen nach Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr. 1.1 oder .. Messer mit einhändig feststellbarer Klinge (Einhandmesser) oder feststehende Messer mit einer Klingenlänge über 12 cm [zu führen.]«
Richtig ist das in Anlage 1 nichts zum Einhandmesser zu finden ist. Ich habe es jedoch so erklärt bekommen/verstanden, dass (mein extra mit Klingenlänge unter 60 mm erworbenes Einhandmesser) dennoch nicht von mir im Alltag geführt werden darf - wegen diesem »oder« zwischen Punkt 2 und drei im §42a Abs. 1.
Gab es diesbezüglich (Führen von Einhandmessern zulässig) schon ein Urteil auf das ich im Text hinweisen könnte?
_____
Das die ganze Thematik nicht ganz einfach ist, zeigt sich in diversen Foren. Es ist übrigens auch immer wieder mal beim Camping oder in Motorradfahren (wenn es um Campingausrüstung geht) immer wieder ein Thema.
Das gleitet dann gerne ein wenig vom Thema ab. Insbesondere da auch kein Unterschied zwischen z.B. einem Dreikanthohlschaber (den man wohl legal als Werkzeug mit sich führen kann) und einem Dolch oder Bajonett mit zwei oder gar drei Schneiden einfällt wenn man den Schaber vorsätzlich als Waffe verwenden will. Das Resultat der Anwendung um die »Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen« wird wohl kaum zu unterscheiden sein. Wobei sich wohl keiner jeden Tag mit einem Dreikanthohlschaber in der Manteltasche einsteckend beim Discounter seine Grundnahrungsmittel holen geht.
Oder viel banaler: Wenn ich einen ausziehbaren Radmuntternschlüssel im Kofferraum habe, stehe ich dann schon mit einem Fuß im Gerichtssaal weil dieser als Waffe verwendet werden könnte?
Na, so weit wollte ich eigentlich nicht vom eigentlichen Thema »Einhandmesser und die rechtliche Situation in Deutschland« abschweifen. Viele Alltagsgegenstände und Werkzeuge lassen sich als Waffe verwenden wenn man unbedingt will - und dürfen legal geführt werden. Aber das ist ja nicht das Thema bzw. die ursprüngliche Frage.
Grüße, Martin
Elmar | http://www.ra-mettke.eu
schrieb am 29.12.17 um 16:13 Uhr:
Hallo Martin,
Habe die Nachricht grade auf meinem Telefon gelesen. Der Dreikanthohlschaber (welch schönes Wort für eine Scrabble-Partie...) ist ein Werkzeug und unterfällt daher (wie die Beile die bestimmte Motorradfahrer auf der Kölner Vergnügungsmeile am Gürtel tragen und damit die örtliche Waffenbehörde in den Wahnsinn treiben...) nicht dem Waffengesetz. Das von Dir benannte Einhandmesser ist laut Paragraph 42a WaffG ein solches, was zum führen eines besonderen Bedürfnisses bedarf. Der freundliche Sherriff von nebenan wird es also beim biken durch die Eifel (o.ä.) wohl einsacken. Erst dem gelangweilten Amtsrichter (oder der übergeordneten landgerichtlichen Berufungsinstanz) kann man dann erklären, dass der 42a in Bezug auf Einhandmesser genausoviel zu regeln hat wie in Bezug auf Ringelsocken oder Erfrischungsgetränke - da alles das nicht dem Regelungsgehalt des Waffengesetzes unterfällt (siehe dazu den Link).
Was entsprechende Urteile angeht, so gibt es ein spektakuläres vom OLG Stuttgart, was das „Bedürfnis“ sehr restriktiv auslegt - sich mit der Rechtmäßigkeit des 42a aber gar nicht beschäftigt.
Näheres müsste ich jetzt nachschlagen - und das geht mit dem Telefon so mühsam... 😉
Gruß
Elmar