Es geht bunt zu auf Deutschlands Straßen. Zumindest wenn es warm genug ist das die Jugend ihre 125er Enduros aus der elterlichen Garage holt oder die schon etwas ältere Generation die Lieblinge der letzten beiden Jahre auf die Straße bringen. Aprilia RXV 450, Gas Gas FSE 450, Honda CRF250L, Husaberg FE 450 E, KTM Freeride 350, KTM 690 Enduro R, ... Die Liste der Enduros welche für den A2 (nach einer Drosselung) geeignet sind ist lang. Wenn der Geldbeutel dick genug ist, hat der zum A2 verdammte 18jährige die Qual der Wahl – und ist meist auch auf den amtlichen Auftritt auf seiner Enduro (oder gelegentlich auch Supermoto) bedacht.
Während mir vor zwei, drei Jahren noch die »Kaputzenpullifraktion« mit ihrer Dominanz auf ihren Enduros aufgefallen ist, hat sich das letztes Jahr und dieses Frühjahr definitiv hin in Richtung »Ich fahre mit Motocross-Jersey auf der Straße« verschoben.
So jedenfalls meine völlig subjektive Wahrnehmung aus meinem PKW heraus und natürlich auch wenn ich einspurig unterwegs war und durch das Visier von meinem Helm geschaut habe was sonst so unterwegs ist.
Für meine Stammleser sicherlich wenig verwunderlich: Ich finde es gut das »bunt angesagt ist«. Bunte MX-Helme – ich habe ja selbst einen im Einsatz – und ebenso bunte Bekleidung über der Gürtellinie sorgt für bessere Sichtbarkeit im Straßenverkehr. Zwar ist das von mir für den heutigen Beitrag besorgte Jersey nur schwarz und weiß, aber der trendbewusste Endurofahrer greift normalerweise zu den quietschbunten Modellen mit häufig groß platziertem Markenlogo von O'Neal, Fox, Thor, Scott oder Alpinestars.
Mir gefällt ja der in Österreich wohl sehr verbreitete Begriff »Rennleibchen«, daher werde ich den einfach in meinem Beitrag weiterverwenden.
Was kann so ein Rennleibchen aus Polyester. Also abgesehen davon das es schön bunt ist und so vielleicht der Fahrer auf seiner Enduro ein wenig zügiger ins Auge springt und nicht übersehen und gar überfahren wird?
Im Wind flattern. Das kann es recht gut. Im vergangenen Jahr konnte ich mich auf einem Parkplatz irgendwo im Allgäu ein paar Minuten über einen mutmaßlichen Mittzwanziger unterhalten. Unter dem Rennleibchen hatte er eine alte, etwas schmuddelige Textiljacke. Die würde »nicht mehr ganz fit aussehen« weil er mit seiner 2013er KTM 690 Enduro R wohl auch schon mal auf der einen oder anderen unbefestigten Strecke unterwegs war – und die Jacke dabei wohl nachhaltig »eingesaut wurde«.
Das Rennleibchen – er sagte natürlich »Motocross Jersey« – kommt einfach in einen Eimer, wird ausgespült und dann zum Trocknen in den Wind gehängt. Danach »sieht es wieder gut aus«.
Dank der gefütterten Textiljacke mit ihren Protektoren darunter wirkte er mit abgesetztem Helm eher wie ein Football Spieler als wie ein Motorradfahrer. Breite Schultern, das lang geschnittene Rennleibchen relativ eng an der Jacke anliegend.
»Flattert das nicht sehr im Wind?« – »Nein.« war seine Antwort. Die Bündchen an den Ärmeln würden das Rennleibchen an den Ärmeln nicht hochrutschen lassen und mit der Textiljacke darunter sei es gut ausgefüllt. Allerdings sei das An- und Ausziehen nicht unbedingt ein Vergnügen: »Geht schon, dauert halt« war der Kommentar. Scheinbar war das aber irgendwie ein wunder Punkt, denn das Gespräch war auf einen Schlag nicht mehr so locker-flockig und plötzlich hatte er es ziemlich eilig.
Schutz bietet ein Rennleibchen nicht wirklich. Es besteht meistens aus Ripstop-Textilgewebe, mal aus Nylon, mal aus Polyester (so wie das Modell von O'Neal welches ich hier als Muster für die Bilder verwendet habe). Die Funktion im MX-Motorsport: Man kann den Fahrer schnell und einfach als Zuschauer ausmachen und wenn am Ende alles versifft und verdreckt ist, ist es schnell gewaschen und wieder einsatzbereit. Sonst nichts? Doch: Die Durchlüftung ist maximal, beim physisch fordernden MX-Sport wäre eine komplett winddichte Lederkombi alles andere als angenehm.
Unter dem Rennleibchen wird üblicherweise eine kostenintensive MX-Schutzbekleidung getragen. Diese sorgt für den bestmöglichen Schutz auf der MX-Strecke. Und im Straßenverkehr?
Auf Asphalt sind andere, abriebfestere Materialien angesagt. Während die MX-Schutzbekleidung bei Stürzen nicht nur dämpfen sondern auch vor Penetration schützen soll, geht es auf Asphalt dann doch eher um Abriebfestigkeit. Das Rennleibchen wird bei einer Rutschpartie auf Asphalt vermutlich ähnlich lange durchhalten wie eine Badehose oder ein T-Shirt aus Baumwolle: Sehr, sehr kurz.
Eine im normalen Straßenverkehr übliche (beziehungsweise dafür entwickelte) Schutzbekleidung unter dem Rennleibchen ist also essenziell wichtig.
»Enjoy the ride« sagt der gummierte Schriftzug auf dem verlängerten Rücken des Rennleibchens von O'Neal. Damit nach dem unfreiwilligen »Slide« nicht die Knochen blank liegen sollte man es also wie der erwähnte KTM-Pilot machen: Textil- oder Lederjacke unterziehen. Nur im Jersey zu fahren weil es »cool aussieht« kann blöd ausgehen.
Damit wäre ich bei der 125er Fraktion angekommen. Es kommt zwar selten vor, aber gelegentlich wird in Foren von den Nachwuchsfahrern nachgefragt ob man auch mit einem Rennleibchen – sie fragen natürlich nach einem »MX Jersey« – »zur Schule und so fahren kann«. Klar kann man das. Man sollte sich nur nicht »maulen« wenn man keine anständige Schutzbekleidung darunter trägt.
Der gummierte Schriftzug hat übrigens eine Funktion: Eigentlich soll er dafür sorgen das das Rennleibchen in der MX-Hose bleibt und nicht herausrutscht. Wer das Rennleibchen mit normaler Schutzbekleidung für die Straße kombiniert, bekommt es vermutlich nicht so ohne weiteres in die Hose gestopft. Daher flattert es dann freudig über dem Gesäß im Fahrtwind – falls weit genug geschnitten.
»Weit genug geschnitten« ist auch eine schöne Überleitung zur Größe. Also so ein Rennleibchen von O'Neal in Größe SM (small) fällt in etwa so aus wie ein normales T-Shirt in L oder XL. Ich könnte das gute Stück als theoretisch als Funktionsshirt tragen. Da 100% Polyester nimmt es nicht sonderlich viel Flüssigkeit auf und gibt den Schweiß lieber weiter an die Umwelt ab.
Wie groß ein Rennleibchen sein müsste damit ich es über meine dicke Tourenjacke mit ihren Brusttaschen ziehen könnte? Vermutlich XXL? Ich werde es nicht herausfinden da ich aktuell keine Notwendigkeit für mich sehe.
Wie bewerte ich den »neuen Trend«? »Erlaubt ist was gefällt« heißt es so schön. Daher: Wer sich damit anfreunden kann das es im Wind flattert und er damit glücklich ist fährt gut damit. Zumindest sofern sich unter dem Rennleibchen noch eine Bekleidung verbirgt welche bei einem Sturz möglichst viel Schaden am Körper vermeiden kann.
Das die Piloten auf ihren Maschinen vermutlich nicht »richtig MX-Sport betreiben« belastet mich dabei nicht wirklich. Wie viele Personen wackeln an den Wochenenden regelmäßig zu ihren Vereinen und haben entsprechende Trikots an, spielen selbst aber keinen Fußball, können nicht auf Schlittschuhen stehen oder haben einfach rund 100 km zu wenig für Football? Da regt sich ja auch keiner darüber auf das sie »nicht richtig Sport betreiben«.
Fährt von euch jemand auch mit Rennleibchen? Was habt ihr so drunter wenn ihr damit auf Asphalt unterwegs seit? Ich freue mich auf Kommentare mit Gedanken und Meinungen zum Thema.
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Datum: | 11.04.2019 |
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Kommentare
Max | https://blog.max-fun.de
schrieb am 12.04.19 um 08:44 Uhr:
Das O'Neal Hemdchen ist ja aus der gleichen Kollektion wie meines. www.youtube.com – Lazy Summer Braaap.
Wenn ich es obendrüber trage, ist drunter meist Panzer und weitere Schützer, dann ist es eben auch entsprechen ausgefüllt und passende Hose ist auch dabei. Aber ich trag die MX-Jerseys (habe noch ein altes Thor) auch gern unter der Tex-Kombi auf Touren.
Gerade an den sehr heißen Sommertagen durch die Stadt ist das wirklich angenehm, selbst mit Panzer etc.
Straymoto
schrieb am 12.04.19 um 12:31 Uhr:
Da hast du recht, Schutz bieten die Dinger nicht...
Wir nutzen die Jerseys nur im Gelände bzw. auf Pisten mit einer Protektorenjacke drunter. Die Protektorjacke haben wir sowieso unter der Cordurajacke und auf der Straße ist auch die Protektorenjacke im Zweifelsfall schnell wegraddiert...
Bei großer Hitze und langsamen Tempo im Gelände sind die Dinger genial, aber auf der Straße echt gefährlich.
Aber klar, mit Lederjacke drunter spricht nichts dagegen. Ist halt Geschmackssache