»Die Nadel von meinem Tacho zittert zwischen 0 und 30 km/h. Wenn es kälter ist stärker, wenn es wärmer ist weniger stark.«
So beschreibe ich jetzt mal das Problembild, welches mich bei meiner BMW R 1150 GS schon eine ganze Weile begleitet(e). Die Mutmaßungen in den Foren fangen mit einer defekten Tachoschnecke an. Dann gehen sie über die möglicherweise defekte Tachowelle bis hin zu einem defekten Tacho.
Von den drei genannten Ursachen habe ich erst einmal die günstigste eliminiert – und hatte Glück: Die Nadel zittert nicht mehr nervös vor sich hin.
Wie das aussah habe ich in einem kurzen Video festgehalten. Nach der Slideshow der Arbeitsschritte schließt das Video mit einer Fahrt mit der neuen Tachowelle ab:
Leider ist das Video nicht gerade hollywoodreif, aber ich habe auch mit einer Canon IXUS 90 IS gefilmt. Mehr war da leider nicht drin.
Die Anleitung zum Wechsel der Tachowelle an einer BMW R 1150 GS ist in folgende Abschnitte gegliedert:
Was es mit dem Exkurs auf sich hat und das man für die Suche der Mutter auch noch einmal extra Werkzeug braucht wird in dem dazugehörigen Abschnitt erklärt.
Wie alt die Welle an meiner 2000er BMW ist, weiß ich leider nicht. Eventuell wurde sie schon mal zwischendurch getauscht oder es ist noch das Original gewesen, mit welcher sie in Berlin vom Band gehüpft ist. Zumindest stand mal »Made In Japan« drauf. Datumsangabe konnte ich leider keine finden – dafür andere Sachen:
Die kleine Beschädigung am Mantel kurz vor der Schnecke ist wohl weniger dramatisch. Das ein komplettes Stück des Mantels fehlt und die Führung der Welle verrostet ist, ist schon ein größeres Problem.
Ob die Welle deshalb so schwer lief oder nicht ist da eigentlich zweitrangig. Der Mantel ist so beschädigt das ein Austausch unumgänglich ist. Da hilft auch Klebeband nicht mehr weiter.
Die Liste mit dem für den Wechsel der Tachowelle benötigten Werkzeug ist sehr überschaubar. Bis auf die benötigten Torx-Bits wird vermutlich jeder daheim alles parat haben.
Die Tachowelle stammt aus dem Zubehör. Man findet sie für 14–20 Euro, zum Beispiel bei Amazon[1] oder auch bei eBay[2].
Da man ohnehin das Windschild abnehmen muss bietet sich eine Reinigung von der silbernen Abdeckung (Cockpitverkleidung) an. Zum »CleanWax« habe ich schon in einem anderen Beitrag[3] ein paar Zeilen geschrieben.
Jedenfalls kann man die Gelegenheit gut nutzen und sowohl auf wie auch zwischen dem Windschild wie auch der Cockpitabdeckung die Überreste von Insekten, Staub und sonstigen Dreck ordentlich zu entfernen. Man kann die beiden Teile auch parallel zu dem Tausch der Welle einfach einweichen lassen.
Im nächsten Abschnitt beschreibe ich wie ich chronologisch vorgegangen bin. Andere Anleitungen können daher im einen oder anderen Punkt eventuell abweichen.
Zunächst muss das Windschild ab. Ich habe mir sagen lassen das es egal ist ob man das schmale oder das breite Windschild montiert hat. In beiden Fällen wird für die vier Schrauben ein T30 Torx benötigt.
Nachdem das Windschild abgenommen ist, kann die silberne Cockpitabdeckung abgenommen werden. Sie ist mit zwei Schrauben befestigt. Zum Lösen der Schrauben wird ein T25 Torx benötigt.
Wenn die beiden Schrauben entfernt sind, kann man die Verkleidung abnehmen.
Auf dem Bild links noch eine Detailaufnahme einer der beiden Schrauben in der silbernen Verkleidung.
Bei manchen Modellen hat der Zahn der Zeit schon etwas genagt, wer möchte kann die Schrauben auch noch einmal mit der Sprühdose schwarz lackieren.
Bevor jemand im Eifer des Schraubens zu viel herumschraubt noch ein kleiner Hinweis: Die beiden Kreuzschlitzschrauben hinter den beiden unteren Öffnungen dienen nicht der Befestigung der Abdeckung. Das sind die Schrauben zum Einstellen von Fern- und Abblendlicht.
Die Einstellungen der Scheinwerfer also unberührt lassen und nach dem Entfernen der beiden Torx-Schrauben einfach die silberne Abdeckung abnehmen. Dann liegen die Rückseiten von Drehzahlmesser, Tacho und Kombiinstrument (Öltemperatur, Tankfüllanzeige und Uhr) frei.
Damit man an die Welle kommt, sollte man einfach den Tacho ausbauen. Gehalten wird er von zwei Muttern (zum Lösen den 10er Gabelschlüssel verwenden).
Die beiden grauen »Stöpsel« sind die Sockel inklusive Dichtung für die beiden Leuchtmittel, welche den Tacho beleuchten. Diese einfach abziehen und zur Seite legen. Am besten erst dann, wenn man die Muttern schon von den Bolzen abgenommen hat. Ansonsten liegen einem die Kabel samt Leuchtmittel eventuell im Weg herum.
Den Tacho kann man jetzt bereits aus der Halterung herausziehen, er wird aber noch von der Tachowelle gehalten. Normalerweise sollte die Welle einfach »handfest« angezogen sein. Im Laufe der Jahre hat sich eventuell jedoch etwas Korrosion gebildet und die Welle sitzt bombenfest. Dann muss man mit sanfter (!) Gewalt arbeiten und kann die Wasserpumpenzange dafür verwenden. Aber die bekommt man nicht wirklich zwischen Tacho und Kunststoffkäfig.
Einfacher geht es wenn man unten an der Schnecke die Welle löst und sie dann nach oben zieht beziehungsweise schiebt.
Die Welle ist an der Schnecke mit einer Kreuzschlitzschraube gesichert. Wenn die Schraube entfernt ist muss man eventuell mit ein klein wenig Kraft ziehen, dann flutscht die Welle aus der Aufnahme in der Schnecke.
Den vorhandenen Schmutz vorsichtig entfernen. Man will ja nicht das gleich etwas auf die neue Welle kommt oder sich anderweitig langsam nach oben arbeiten kann und dann prompt die neue Welle beschädigt.
Hat man die Welle unten gelöst und 8–10 cm nach oben geschoben, kann man den Tacho weit genug herausziehen um die Wasserpumpenzange ansetzen zu können. Viel Kraft war dank des Hebels nicht notwendig. Einmal leicht gedreht, schon war der Widerstand gebrochen und die Schraubverbindung konnte mit per Hand vollständig gelöst werden.
Es sieht schon sehr ungewohnt aus wenn der Tacho plötzlich fehlt.
Eine wichtige Anmerkung an dieser Stelle:
Der Einbau der Welle läuft natürlich so ab das man die Schritte vom Ausbau in der umgekehrten Reihenfolge abarbeitet. Außer bei der Geschichte mit dem Anschluss an der Schnecke!
Die neue Welle läuft so geschmeidig in ihrer Hülle, dass sie tendenziell sofort wieder an dem Ende hinausrutschen will, welches an der Schnecke montiert wird. Die Schwerkraft tut ihr übriges dazu.
Daher beim Zusammenbau erst unten an der Schnecke montieren, dann oben am Tacho festschrauben. Zumindest dann, wenn man alleine ist. Wenn eine zweite Person unten die Welle im Zaum halten kann, gibt es natürlich kein Problem.
Noch eine Anmerkung – aber nicht ganz so wichtig da man selbst drauf kommt:
Die Welle wird mit einem Kabelbinder an einem Punkt hinter den Scheinwerfern geführt beziehungsweise fixiert. Dieser ist natürlich zu entfernen wenn man die Welle ausbauen will.
Sollte man die Welle an der Schnecke gelöst haben, sie aber nicht nach oben in Richtung Tacho gezogen oder geschoben werden können: Den Kabelbinder entfernen. Dann sollte es problemlos gehen.
Für den Ausbau folgt der nächste neuralgische Punkt: Die Führung der Welle am linken Tauchrohr.
Die Welle ist dort durch eine Metallhalterung geführt, welche mit einer Gummitülle versehen ist. Durch die Gummitülle passt das Gewinde (Anschluss am Tacho) nicht hindurch.
Man muss daher zunächst die Tülle aus der Metallhalterung drucken. Anschließend passt das Gewinde durch die blanke Öffnung in der Metallhalterung hindurch.
Nicht extra fotografiert habe ich die Kunststoffführugn am Kotflügel. Dort passt das andere Ende der Welle hindurch und schon hält man sie vollständig vom Motorrad getrennt in seinen Händen – oder legt sie für ein Foto einfach daneben.
Bislang hatte ich die neue Welle nicht aus der Verpackung geholt. Was eingeschweißt ist, kann nicht dreckig werden wenn man es eingeschweißt lässt. Ich hatte lediglich direkt nach dem Erhalt überprüft ob der Anschluss an der Schnecke passt.
Gezahlt habe ich für die Welle 14,90 Euro – inklusive Versand. Wie oben schon erwähnt handelt es sich nicht um eine originale Welle von BMW sondern um eine aus dem Zubehörhandel. Interessant finde ich die Tatsache, dass die Welle auch bei Modellen von Triumph passt.
Die neue Welle hat die gleiche Länge der alten Welle. Dafür ist sie etwas dicker und fühlt sich auch »weicher« an. Sprich: Sie scheint flexibler zu sein. Das kann natürlich auch am Zustand des Innenlebens der alten Welle liegen: Wenn da mehr als nur die äußere Schicht korrodiert ist, ist es vorbei mit dem »geschmeidig sein«.
Wie oben schon in der Box explizit erwähnt: Beim Einbau zuerst unten an der Schnecke montieren. Davor aber nicht vergessen die Gummitülle (Schutz an der Metallhalterung) unten über den Anschluss der Schnecke zu ziehen. Vom anderen Ende her geht die Tülle nämlich nicht auf die Welle drauf.
Damit befinde ich mich mit meinen Ausführungen eigentlich schon bei der Montage der neuen Welle, welche einfach das Abarbeiten der bisherigen Schritte in umgekehrter Reihenfolge ist. Trotzdem möchte ich ein paar weitere Tipps geben.
Mit dem Multifunktionsöl von WD40 habe ich die Gummitülle behandelt bevor ich sie wieder eingebaut habe. Dann »flutscht« die auch wieder schön über die Metallhalterung und kann dort den Mantel der neuen Welle vor Beschädigungen schützen.
Wenn der Tacho schon mal ausgebaut ist kann man ihn auch reinigen. Wobei er – rein subjektiv – nicht wirklich großartig irgendwelchem Dreck ausgesetzt war. Ein wenig Staub hier, insbesondere hartnäckiger Blütenstaub. Lässt sich alles vor dem Einbau mit einem feuchten Tuch abwischen.
Beim Verschrauben der Welle an den Tacho habe ich nicht die Wasserpumpenzange verwendet. Ich habe die Welle »handfest« aufgeschraubt. Das sollte reichen. Es ist keine tragende Verbindung, daher mus man hier nicht mit einem hohem Drehmoment arbeiten. Fest und sicher reicht.
Ärger hatte ich mit den selbstsichernden Muttern mit Flansch, mit welchem der Tacho verschraubt wird. Eine der beiden Muttern ist mir heruntergefallen. Direkt unter dem Tacho befindet sich der Motorschutz, welcher sicherlich allzu gerne eine Mutter auffängt – und dann abgebaut werden muss.
Daher vielleicht eine Tüte oder ein größeres Stück Stoff auf dem Telelever unterlegen. Dann verschwinden auch keine Muttern. Später mehr dazu.
Wie weiter oben schon angeregt bietet es sich an die Abdeckung von den Spuren verblichener Insekten zu reinigen. Einlegen in Wasser hat bei mir leider nicht viel bewirkt. Ich musste dann doch mit dem »CleanWax« ran.
Der letzte Tipp: Eigentlich sollte ja alles funktionieren. Die Welle ist ein mechanisches Bausteil, man kann also nicht versehendlich irgendwo irgendwelche Stecker vergessen haben. Aber es macht durchaus Sinn vor dem Verschrauben von Abdeckung und Windschild das Vorderrad zu drehen um zu schauen ob die Nadel einen kleinen Ausschlag macht. Wenn hier eine zweite Person helfen kann, ist das natürlich ideal.
*pling* *ploing* *pling* – na prima. Eine der beiden Muttern vom Tacho ist mir heruntergefallen. Daher ist jetzt oben der Tipp mit einer Tüte oder einem Stück Stoff zu lesen.
Die Liste des »benötigten Werkzeugs« hat sich daher bei mir um eine kleine Taschenlampe, eine Knarre mit Verlängerung und 10er Schlüssel und um einen sogenannten »Krallengreifer« verlängert.
So einen flexiblen Krallengreifer bekommt man mit 600 mm Länge für unter 2 Euro bei jedem gut sortierten Baumarkt. Warum ich einen habe? Weil ich gerne mal kleine Schrauben oder Muttern fallen lasse – bevorzugt fallen die dann an Stellen, welche man nicht einfach so erreichen kann.
Das letzte *pling* klang für mich schwer nach »Mutter trifft auf Aluminium«. Außerdem konnte ich die Mutter nirgendwo unter dem Motorrad finden. Also habe ich mein Glück zunächst mit der Taschenlampe versucht, ich konnte die Mutter aber nicht sehen.
Der zweite Schritt war der Griff zur Knarre mit dem 10er Steckschlüssel. Vom Ölwechsel her bin ich die Demontage vom Motorschutz ja schon geübt. Die große Überraschung: Keine Mutter drin!
Ich mache mich noch einmal auf die Suche. Suche den ganzen Boden ab. Eine »messingfarbene« Mutter muss einem doch regelrecht ins Auge springen? Ich konnte sie jedoch noch immer nicht finden.
15 Minuten sind inzwischen vergangen. Ich suche noch einmal den Motorblock ab, schaue zwischen die Kühlrippen. Dann fällt mir etwas auf. Da ist doch etwas zwischen Krümmer und Sturzbügel?
Ein schönes, schattiges Plätzchen hat die Mutter sich da aber gesucht. Klar das ich dann auch nirgendwo etwas sehen kann das nach Messing aussieht.
Krallengreifer angesetzt, Mutter geborgen, mit Mutter den Tacho festgeschraubt. Und wenn ich sie nicht gefunden hätte, dann würde ich jetzt noch suchen.
So ganz lustig war die Suche auch nicht, schließlich waren Ölsumpf und Krümmer noch warm von der Aufnahme für's Video.
Immerhin konnte ich dann noch einmal den perfekten Ölstand (bei warmem Motor) bewundern, welchen ich beim herumkrabbeln unter der GS mehr als einmal im Blickwinkel hatte.
Wo ich es gerade von Dingen im Blickwinkel habe: Ich habe nun noch ein Teil gefunden, welches wegen dem Schaden an der Front von einem der Vorbesitzer getauscht wurde. Das die Tauchrohre nicht zum Baujahr 2000 passen wusste ich ja schon. Die silberne Cockpitverkleidung ist von 2003. Eventuell von der gleichen Schlachtmaschine von welcher auch die Tauchrohre stammten?
Da der Tacho einen Stempel vom 17. Februar 2000 trägt gehe ich davon aus das dieser nicht getauscht wurde und die abgelesene Laufleistung somit der tatsächlichen Laufleistung entspricht. Tagesaktuell – nach der Probefahrt – hat sie nun 84'001 Kilometer geschafft. Mit einer Tachowelle? Vielleicht ja, vielleicht nein... Die nächsten 84'001 Kilometer macht sie dann mit der neuen Welle.
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Datum: | 26.08.2018 |
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Kommentare
schrieb am 17.06.19 um 11:40 Uhr:
Herzlichen Dank für die detailierte Beschreibung. Bin selbst kein großer Schrauber aber mit so einer genialen Anleitung samt guten Bildern und "Vorwarnungen" bekomme sogar ich den Tausch hin. Klasse Seite, gute Tips für die 1150er, Dankeschön!
schrieb am 17.06.19 um 18:16 Uhr:
Hallo Bernhard,
Freut mich das meine Anleitung dir weiterhelfen konnte. Die Welle läuft seit dem Wechsel einwandfrei in meiner GS – inzwischen hat sie die Zahlen auf über 90'000 km weitergedreht.