Im Frühherbst 2011 habe ich nach langem Hin und Her eine gebrauchte Yamaha XJ 900 S erworben. Ein Tourer mit Kardan sollte es sein, einen Tourer mit Kardan und so mancher reparatur- und wartungsnotwendiger Stelle habe ich dann erhalten.
Aber zum Glück bieten die kalten Wintermonate und eine warme Werkstatt beste Voraussetzungen für die eine oder andere Reparatur. Nach langer Suche habe ich auch ein neues beziehungsweise gebrauchtes »Geweih« für die Kanzel gefunden. Leider war die Tachoumrandung bei der gekauften XJ 900 S defekt. Irreparabel defekt um genau zu sein. Aber das sieht man auf dem Bild ja recht deutlich.
In der damals noch roten Kanzel hängt der kümmerliche Rest der Verkleidung, welche an der rechten Seite völlig zerstört ist. Die Bruchstücke waren beim Kauf nicht mit dabei, eine Reparatur schon alleine daher völlig ausgeschlossen. Aber mit einer nur leicht beschädigten Verkleidung, ein wenig Werkzeug und einem Reparaturset konnte ich diesen Makel nun auch endlich beheben.
Bei einem Heissluftfön oder einem Handschweißgerät sind die Spezialgeräte leider recht teuer. Für eine einmalige oder nur in geringer Anzahl durchgeführten Reparatur also wirtschaftlich nicht wirklich sinnvoll.
Da zum Schmelzen mindestens 800°C benötigt werden, kann aber auch als kostengünstige Alternative ein preiswerter Lötkolben mit breiter Spitze dienen. Zudem muss man mit einem Heissluftfön sehr aufpassen. Kleine, filigrane Kunststoffteile und -verkleidungen verformen sich ansonsten unerwartet – und dies sehr schnell.
Das Ersatzteil für die zerstörte Verkleidung habe ich günstig erhalten. Leider ein wenig lädiert, aber dafür ergab sich ja die Möglichkeit für diese ausführliche Anleitung über das verschweißen von Kunststoffen als kostengünstige Reparaturmethode.
Neben einem Kunststoffteil mit leichtem Defekt und dem Werkzeug wird natürlich auch noch Material für die Reparatur benötigt. Ein Stück Edelstahlgitter, auch »Bewehrungsnetz« genannt und natürlich passende Kunststoffstreifen als »Schweißdraht«.
Sowohl Gitter wie auch die Kunststoffstreifen können im Fachhandel beziehungsweise online[1] erworben werden.
Die eigentliche Reparatur kann in wenigen Arbeitsschritten schnell erklärt werden. Daher sozusagen im »Schnelldurchlauf« eine Übersicht der einzelnen Schritte:
Auch größere Stellen als die relativ kleine Beschädigung an der Verkleidung können mit dieser Methode repariert werden. Durch das während der Reparatur eingefügte Metallgitter wird ein weiters Einreißen verhindert. Je nachdem wie die Beschädigung aussieht sollte unter Umständen auch am Ende des Risses ein kleines Loch gebohrt werden. Sozusagen als »Endpunkt« für den Riss, damit ein weiteres Einreißen verhindert wird.
Bei der kleinen Beschädigung ist ein Bohren nicht unbedingt notwendig. Zudem wäre die Bohrung anschließend auch immer im Blickfeld.
Daher genügt in diesem Fall einfach eine Verstärkung mit dem Edelstahlgitter und zusätzlichem Material, welches zusätzlich verschmolzen wird.
Die gereinigte Stelle der ausgebauten Verkleidung liegt gut sichtbar auf dem Tisch. Während der Lötkolben langsam auf Temperatur kommt, können bereits die ersten Arbeitsschritte erledigt werden.
Das Edelstahlgitter, auch als »Bewehrungsnetz« bezeichnet, kann nun passend zugeschnitten werden. »Passend« bedeutet in diesem Fall, dass das Gitter groß genug zugeschnitten wird um damit auch bequem arbeiten zu können.
Es ist übrigens nichts anderes als ein extrem feines, rostfreies Gewebe. Nicht nur bei Rissen wie in diesem Beispiel, sondern auch bei Löchern wird es verwendet um die reparierte Stelle zusätzlich zu verstärken.
Damit es keine Probleme mit der »besseren Hälfte« gibt: Das Edelstahlgitter bitte mit einer alten Schere zuschneiden. Nicht die gute, scharfe Schere aus dem Nähkästchen missbrauchen.
Auch die sogenannten »Schweißdrähte«, also die kurzen Kunststoffstreifen, können schon vorbereitet werden. Auf der Verkleidung ist in der Regel irgendwo eine Kennzeichnung des Materials zu finden. Beispielsweise »ABS« für »Acrylnitril-Butadien-Styrol« oder »PS« für »Polystyrol«.
Aus dem Sortiment mit Schweißdrähten ist der zum Material der Verkleidung passende Draht auszuwählen.
Ist das Edelstahlgitter auf die richtige Größe zugeschnitten, muss es an die Form der Reparaturstelle angepasst werden. Da es leicht zu verbiegen ist, kann dies einfach mit den Händen oder – um eine gerade Kante zu bekommen – über die Schneide der Schere entsprechend verformt werden.
Ist man mit der Form des Edelstahlgitters zufrieden, wird es zusammen mit dem Kunststoff der schadhaften Stelle erwärmt. Beim Erhitzen von Gitter und Kunststoff nicht zu lange auf einer Stelle bleiben, damit sich das Material nicht verformt.
Es soll lediglich das Edelstahlgitter in den Kunsstoff eingeschmolzen und nicht eine vollständig neue Form geschaffen werden.
Damit man nicht versehentlich die Reparaturstelle »krumm verbindet«, sollte man zunächst nur eine der beiden Seiten der schadhaften Stelle mit dem Edelstahlgitter verbinden.
Zwei weitere, hilfreiche Hände sind unter Umständen nötig um die zu reparierende Stelle in die richtige Position zu bringen. Anschließend kann auch auf der anderen Seite vom Riss das Edelstahlgitter in den Kunststoff der Verkleidung »eingerieben« werden. Das überstehende Gitter wird noch nicht abgeschnitten, sondern bleibt vorerst an der Verkleidung.
Bis jetzt wurde immer nur das originale Material der Verkleidung mit dem Edelstahlgitter verbunden. Damit die Stelle stabiler wird, muss nun der Schweißdraht aus dem passenden Material gewählt werden. Die Verkleidung der XJ 900 S ist aus »ABS«, daher wurde der schwarze ABS-Stick für die Reparatur verwendet.
Mit dem Lötkolben wird der Schweißdraht erwärmt und das Material zusätzlich über dem eingeschweißten Gitter »eingeschmolzen« und dabei verrieben.
Das noch überstehende Edelstahlgitter kann zusammen mit dem eventuell überstehenden Kunststoff mit Schere und Cutter beziehungsweise Teppichmesser entfernt werden.
Um ein sowohl optisch ansprechendes wie auch während der Montage und Nutzung störungsfreies Endresultat zu erhalten, kann die Stelle zusätzlich auch noch mit einer Feile oder Schmirgelpapier bearbeitet werden.
Ein wichtiger Hinweis: Nicht zu lange mit dem Lötkolben am Material hantieren! Ansonsten können beziehungsweise werden unerwünschte Verformungen am Material entstehen. Lieber immer wieder kurze Pausen einlegen und das Material abkühlen lassen.
Ebenfalls sollte man nur vorsichtig (wenn überhaupt) die Kante mit dem Lötkolben bearbeiten. Nicht das bleibende Unregelmäßigkeiten zurückbleiben und man – gerade bei einer Verkleidung am Cockpit – bei jeder Fahrt auf die Stelle schaut und sich unnötig ärgert.
Im Falle der Reparatur der Verkleidung meiner XJ 900 S bleibt auch ein kleiner Makel zurück. Da die Verkleidung nicht lackiert wird, ist eine kleine Verfärbung und der eigentliche Riss noch zu erkennen.
Wichtig ist jedoch, dass der Riss sich nicht weiter fortsetzen kann. Die Stelle ist miteinander verschmolzen und durch das zusätzliche Material verstärkt.
Wie lange die reparierte Stelle durchhält wird die Zeit zeigen. Aber ich gehe davon aus, dass ich auch in etlichen 1000 Kilometern keine Veränderung am Riss bemerken werde.
Nachdem meine XJ 900 S jetzt endlich komplett ist, wurde auch das Kennzeichen reserviert und online beim Schildermacher bestellt. Dann kann es im Mai endlich losgehen – mit eigenhändig reparierter Verkleidung.
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Datum: | 25.04.2012 |
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