Kennt ihr das Stilelement jeden guten Actionfilms? Wenn irgendetwas grandios explodiert setzt die Zeitlupe ein, der Held läuft meistens mit dem Rücken zur Explosion weiter und erst wenn die ersten in die Luft gewirbelten Teile auf den Boden fallen setzt wieder die normale Geschwindigkeit ein. Jeder Film an dem Michael Bay beteiligt ist wird auf diese Art dank der Zeitlupe ca. 30 Minuten länger. Aber Filme sind heute nicht das Thema.
Ich hatte vorhin so einen Zeitlupenmoment. Ohne Explosion, dafür mit Scherben. Und jetzt habe ich aus einem Problem zwei Probleme gemacht.
Angefangen hat alles damit, dass Instrumentenbeleuchtung und Standlicht an meiner Suzuki GSF 1200 (GV75A aka »Kult«) nicht funktioniert haben. Ein Kabelbruch, vielleicht Korrosion in einem der Stecker oder eine defekte Sicherung? Eigentlich nur ein kleineres Problem – sollte man zumindest meinen.
Damit ich messen kann ob überhaupt eine Masseverbindung besteht, habe ich die Verkleidung der Tankanzeige abgenommen. Die kleine Kappe lässt sich einfach abziehen sobald man die kleine Kreuzschlitzschraube entfernt hat.
Noch ein letzter Test um den aktuellen Zustand zu ermitteln: Zündung an, die beiden Scheinwerfer leuchten – aber das kleine Lämpchen der Tankanzeige leuchtet nicht. Auch die Beleuchtung der übrigen Instumente bleibt dunkel, Drehzahlmesser und Tacho werden nicht beleuchtet.
Außerdem blieben die beiden Leuchtmittel für das Standlicht im Doppelscheinwerfer dunkel. Also auch hier erst mal testen ob überhaupt eine Spannung zu messen ist.
Kleines, unschönes Detail am Rande: Die Schrauben des Doppelscheinwerfers sind offensichtlich nicht behandelt. Da sich in der Öffnung für die Schraube Das Wasser vom Regen oder auch Tau sammelt, fangen die Schrauben recht flott zu gammeln an. Wieso spart man ausgerechnet bei solchen Teilen ein paar Cent ein?
Während ich noch darüber grüble wieso man als Hersteller von einem Lampengehäuse »Gammelschrauben« verwendet und wann ich das nächste Mal beim von mir bevorzugten Schraubenhändler vorbekomme, nimmt das Schicksal seinen Lauf.
Der eingangs schon beschriebene Zeitlupeneffekt setzt ein als ich gerade dabei bin Bilder vom zerlegten Doppelscheinwerfergehäuse zu machen. Kurz nachdem ich die Aufnahme gemacht habe, sehe ich wie sich die Streuscheibe aus dem einen Reflektor löst. Noch bevor ich etwas machen kann fällt sie auf den Boden und zerspringt in unzählige Teile inklusive feinster Splitter.
Vermutlich hat sich der Rand aus Kunststoff langsam aber sicher durch die Hitze des Leuchtmittels beziehungsweise von der Streuscheibe zersetzt.
Auch der andere Scheinwerfereinsatz sieht am Rand »nicht mehr ganz frisch« aus. Daher habe ich ihm, bevor er es seinem Kameraden nachtut, ein paar Streifen Klebeband gegönnt.
Prima. Jetzt habe ich nicht nur eine nicht funktionierende Instrumentenbeleuchtung, jetzt habe ich auch noch einen defekten Scheinwerfereinsatz und wieso das Standlicht nicht so will wie es soll habe ich auch noch nicht anschauen können.
Der erste Versuch einer Reparatur hat also gleich mal mit einem noch größeren Schaden geendet. Prima. Aber das sollte mich nicht abhalten weiter nach dem eigentlichen Problem zu suchen: Wieso geht die Instrumentenbeleuchtung nicht und wieso leuchtet das Standlicht ebenfalls nicht?
Bevor man am Kabelbaum arbeitet, sollte man die Verbindung mit der Batterie lösen. Wenn man die Verbindung trennen will, muss man zu allererst die Masseverbindung trennen.
Rutscht man dabei mit dem Werkzeug ab oder kommt mit der Leitung an den Rahmen, so gibt es keinen Funken.
Würde man mit dem Pluspol anfangen, könnte man versehentlich mit dem Werkzeug eine Masseverbindung herstellen. Das sollte natürlich nicht passieren. Will man später die Batterie wieder anschließen, muss man zuerst den Pluspol und erst danach die Masse anschließen.
Nun aber weiter bei der Fehlersuche und den Entdeckungen, welche ich so an meiner GSF 1200 machen konnte. Um herauszufinden welche farbe die Leitung hat, welche mit der braunen Leitung für das Standlicht verbunden ist, musste ich die Lüsterklemme vom zum Isolieren verwendeten Klebeband befreien.
Eine rote und drei schwarze Leitungen waren mit der Lüsterklemme verbunden. Eine der schwarzen Leitungen war durch die Lüsterklemme mit der braunen Leitung (Standlicht) des Scheinwerfers verbunden.
Allerdings konnte ich noch nicht feststellen, wohin diese schwarze Leitung führt. Sie verschwand zusammen mit anderen Leitungen im Kabelbaum, welcher mit einer Menge Klebeband umwickelt war.
Etwas lästig dabei: Diese seltsame Mischung aus Sand und Blütenstaub überall im Kabelbaum. Zumindest glaube ich das es Sand und Blütenstaub war.
Ich weiß nicht wie lange das Klebeband schon am Motorrad beziehungsweise Kabelbaum war, aber der Wind hatte größere Mengen von dem Zeug am Klebeband abgelagert.
Staub, Dreck und viel Klebeband hatte ich bei meiner Suche bisher gefunden. Aber noch immer nicht wohin die schwarze Leitung für das Standlicht führt. Hinter der Abdeckung im Rahmendreieck unter dem Tank hatte offensichlich der Kabelbaum samt Stecker seinen Platz gefunden.
Ganz vorne hinter der Verkleidung war ein Relais versteckt. Dies diente zur Verbindung der Plus-Leitung des Scheinwerfers mit der Batterie. So werden zusätzliche Verbraucher in der Leitung umgangen und das Leuchtmittel leuchtet heller.
Das um das Relais gewickelte »Panzertape« fiel schon von alleine ab, die Klebewirkung hatte irgendwann in den letzten Jahren völlig versagt.
Nachdem ich noch ein wenig mehr vom Klebeband abgewickelt hatte, fiel mir plötzlich und völlig unerwartet das Ende einer Leitung in die Hände.
Siehe da, ich hatte das Ende der Leitung für das Standlicht gefunden. Und gleichzeitig auch die Erklärung dafür, wieso das Standlicht nicht leuchten will.
Wo keine Verbindung ist, kann auch kein Strom fließen. Die Leitung war offensichtlich schon vor längerer Zeit lahmgelegt worden. Immerhin ein Rätsel gelöst. Aber wo befindet sich die Leitung zum Standlicht? Die Suche war also noch nicht beendet, sie hatte nur ein neues Ziel bekommen.
Damit man möglichst einfach an alle Leitungen herankommt, müssen die Seitenverkleidungen weg. Damit diese demontiert werden kann, muss wiederum das Heck zerlegt werden. Aber wo ich jetzt schon dabei war dem Kabelbaum komplett zu folgen hat mich der Schritt auch nicht mehr abgeschreckt.
Es sind nur ein paar Schrauben, also eigentlich kein größerer Aufwand. Wenn man jedoch die Gepäckbrücke montiert hat welche das Heck meiner GSF 1200 ziert, dann wird es doch etwas umständlicher.
Die Gepäckbrücke wird an jeder Seite von zwei Inbusschrauben getragen. Diese blockieren den Zugang zu den Kreuzschlitzschrauben mit denen die Seitenverkleidung mit dem Einsatz für das Rücklicht verbunden ist.
Mit 6er Inbussteckschlüssel und einem Gabel- oder Ringschlüssel zum Gegenhalten ist die Gepäckbrücke dann aber schnell demontiert. Anschließend hat man freien Blick über fast die gesamte Seite des Motorrads und kann erkennen wo Leitungen verlegt und beispielsweise mit Kabelbindern befestigt wurden.
Nach der Demontage der Seitenverkleidungen konnte ich nachvollziehen wohin die beiden roten Leitungen führen, welche am Pluspol der Batterie angeschlossen waren. Von der Batterie aus auf die rechte Seite der Maschine und dort dann unter dem Tank nach vorne in Richtung Lenker.
Nach der Demontage des Verkleidungsdreiecks im Rahmen der GSF 1200 hatte ich dann Blick auf den Kabelbaum. Nun ja... Zumindest auf das kompakt unter dem Tank zusammengerollte Ende des Hauptkabelbaums.
Dieser war vor etlichen Jahren vom Erstbesitzer abgeändert worden, da aus der mit einer Halbschale verkleideten Bandit S damals eine »nackte« Bandit wurde. Notwendig war der Umbau – wenn ich den Verkäufer richtig verstanden habe – ein Unfall, bei welcher die Halbschale irreparabel beschädigt wurde.
Auch mit der Handlampe unter den Tank zu leuchten half mir bei der Suche nach den beiden roten Leitungen leider nicht weiter. Also begann ich damit, den mit Panzertape umwickelten Kabelbaum langsam und vorsichtig auszupacken.
Dabei musste ich nicht sonderlich viel Kraft anwenden, denn die Klebewirkung vom Panzertape hatte schon stark nachgelassen und die ersten 10–20 cm fielen schon von alleine ab.
Nachdem ein paar Zentimeter vom Panzertape abgewickelt waren, konnte ich das Ende der beiden roten Leitungen sehen. Sie waren mit einem sogenannten »Stromdieb« zusammen an eine dickere Leitung angeschlossen, welche wiederum mit einem Sicherungshalter verbunden war.
Das andere Ende der Leitung mit der Flachsicherung führte direkt in ein Relais (siehe weiter oben auf dieser Seite unter »Fehlersuche zum ursprünglichen Problem«). Das Relais wiederum wurde über die Leitung vom Abblendlicht geschaltet.
Warum der originale Kabelbaum vom (mutmaßlich vorhandenen) Bougierrohr befreit, und dies dann durch Panzertape ersetzt wurde, bleibt vermutlich das Geheimnis vom Erstbesitzer. Auch wieso er ein wenig unübliche Konstrukte bei der Verbindung von einigen Kabeln gewählt hat.
Diese haben mich dann ein klein wenig auf die Probe gestellt. Denn trotz vorhandenem, bunten Stromlaufplan konnte ich ein paar Leitungen zunächst nicht zuordnen. Da war es auch wenig hilfreich wenn eine rote Leitung zu einer schwarzen Leitung wird und dann mit einer hellgrünen Leitung verbunden wird – bis sich dann irgendwann das Geheimnis aufklärt.
Zuerst habe ich die originale Leitung für hellblau gehalten. Aber das gibt es nicht mit solchen Abzweigungen. Also musste es sich bei der Leitung, aus welcher dann drei Leitungen werden, um »hellgrün« handeln.
Gemäß Stromlaufplan hatte ich also die Leitung der rechten Blinker vor mir... Aber wieso vier Enden? Ganz einfach: 1x Schalter, 1x Kontrolleuchte, 1x Blinker vorne und 1x Blinker hinten. Sie treffen sich anscheinend eben dort alle vorne im Kabelbaum.
Somit war auch (nach einiger Suche und einigem Messen) geklärt was die rote Leitung sein muss. Eben diese rote Leitung, welche schwarz wird um dann hellgrün zu werden: Versorgungsleitung für den rechten Kellermann Lenkerendenblinker.
Dann müsste diese braune Leitung theoretisch für das Standlicht sein. Leider war keine Spannung zu messen. Ja, ich hatte zum Testen die Batterie für kurze Zeit angeschlossen. Die Motivation schwindet, nach deutlich mehr Stunden als eigentlich geplant habe ich daher jetzt erst einmal die Arbeiten eingestellt.
Morgen geht es dann weiter. Vielleicht findet sich bis dahin ja noch irgendwo im Internet ein passender Einsatz für den Doppelscheinwerfer. Oder sollte ich doch gleich auf einen 7"-Scheinwerfer umrüsten? Klassisches Aussehen bleibt eben zeitlos und gefällt. Zudem könnte man bei einem 7"-Scheinwerfer auch einfach ein kleines Windschild montieren. Beim Doppelscheinwerfer ist die Auswahl deutlich kleiner – und die Preise sind auch deutlich höher.
Ich schlafe erst mal eine Nacht drüber und entscheide dann morgen wie es weitergeht. In jedem Fall muss ich am Kabelbaum weitermachen. Denn das eigentliche Problem mit der Beleuchtung der Instrumente und dem Standlicht ist ja noch immer nicht behoben.
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Datum: | 08.10.2013 |
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