Die Kupplung der GSF 1200 (GV75A) wird hydraulisch betätigt. Nicht unbedingt ein außergewöhnliches Feature, denn auch andere Hersteller verzichten bei einigen ihrer Modellen auf einen Zug und setzten dafür auf Hydraulik. Das funktioniert auch sehr gut und es gibt keine Bowdenzüge, welche reißen können.
Die Kehrseite der Medallie: So ganz wartungsfrei sind auch hydraulisch betätigte Kupplungen nicht. Mal muss die vom Hersteller verbaute (Gummi)Leitung getauscht werden, mal die Bremsflüssigkeit, welche als Hydraulikflüssigkeit verwendet wird. In seltenen Fällen muss auch die Pumpe oder der Nehmerzylinder ausgetauscht oder zumindest überholt werden.
Ich hatte mal wieder ganz laut »Hier!« gebrüllt und wurde beim Vorbereiten für die erste Tour unangenehm überrascht: Ausgleichsbehälter am Lenker leer, die Hydraulikflüssigkeit ist verschwunden – und dann geht natürlich auch keine Kupplung mehr an der GSF 1200.
Wo die Flüssigkeit abgeblieben ist, wird weiterhin ein Rätzel bleiben. Normalerweise hinterlässt Bremsflüssigkeit unschöne und sehr, sehr haltbare Flecken auf Böden. Ich konnte nichts finden. Ebensowenig hat die zum Winter gekaufte Abdeckplane irgendwelche Spuren der recht aggressiven Bremsflüssigkeit gezeigt.
Druck war mit dem Hebel jedenfalls keiner mehr aufzubauen, auch zwecks Diagnose nachgefüllte Bremsflüssigkeit konnte nicht aushelfen. Verdacht nach einiger Recherche im Internet: Der Nehmerzylinder beziehungsweise dessen Dichtung hat der Zahn der Zeit verschlissen. Also: Gebrauchten aber geprüften Nehmerzylinder für knapp 50 Euro gekauft, Werkzeug bereit gelegt und bei schönem Wetter konnte es heute dann losgehen.
Wer sich selbst den Wechsel von Bremsleitungen zutraut, kann auch einen Kupplungsnehmerzylinder wechseln. Wer da eher Zweifel hat sollte die Maschine besser von einer Werkstatt betreuen lassen.
Sauber zu Arbeiten ist zwingend notwendig. Das hydraulische System muss 100%ig dicht sein. Es wäre etwas unschön wenn z.B. bei 120 km/h auf der Autobahn plötzlich die linke Hand am Kupplungshebel ins Leere greift.
Die Liste mit Werkzeug ist überschaubar. Abgesehen von der Pumpe für die alte Bremsflüssigkeit sind die übrigen Werkzeuge vermutlich in jedem besser sortierten Kasten bereits vorhanden.
Statt der 5er Stecknuss (Inbus) kann auch auf einen Inbusschlüssel zurückgegriffen werden. Da damit sowohl der Nehmerzylinder wie auch die Ritzelabdeckung verschraubt werden, rate ich zu Steckschlüssel und einer Knarre.
Windeisen und Linksausdreher[2] würden dann zum Einsatz kommen, wenn die (gnadenlos mehrere Jahre und viele Kilometer lang eingesifften) Schrauben innen in der Ritzelabdeckung nicht per Kreuzschlitz zu lösen sind.
Doch ein Schritt nach dem anderen. Bevor man die Ritzelabdeckung lösen und abnehmen kann, sollte das Schaltgestänge entfernt sein. Davor wäre es praktisch wenn man bereits die Leitung vom Nehmerzylinder abgenommen hat. Davor sollte zwingend bereits die Bremsflüssigkeit (auch wenn vermeintlich komplett fehlend) abgesaugt werden. Daher Schritt für Schritt welche Tätigkeit zu erledigen ist.
Ich habe keine Bilder gemacht, denn wie man Bremsflüssigkeit absaugt, wird bereits häufig im Web erklärt. Daher in Kurzform: Am Ventil den 8er Ringschlüssel ansetzen. Danach wird die Leitung zur Pumpe angeschlossen. Bevor man nun das Ventil öffnet und mit der Pumpe die Flüssigkeit aus der Leitung absaugt, muss der Behälter noch geöffnet werden.
Dazu den Lenker gerade stellen und die Abdeckung samt Diaphragma vom Behälter entfernen. Würde man die Abdeckung auf dem Behälter lassen, könnte man das Diaphragma beim Absaugen unter Umständen durch den Unterdruck beschädigen.
Danach kann die Leitung am Kupplungsgeberzylinder gelöst werden. Hierfür einen 12er Ringschlüssel oder aber einen Steckschlüssel mit Knarre verwenden. Vorsicht: Es können beziehungsweise werden Restmengen an Bremsflüssigkeit austreten. Spätestens dann, wenn man den Nehmerzylinder neigt.
Wenn die Leitung zur Pumpe am Lenker vom Kupplungsnehmerzylinder getrennt wurde, kann die Ritzelabdeckung mit dem daran befestigten Kupplungsnehmerzylinder abgenommen werden.
Damit dies möglich ist müssen jedoch nicht nur die fünf Schrauben entfernt werden. Das Schaltgestänge muss ebenfals entfernt werden. Mit einem 10er Gabel- oder Ringschlüssel einfach die Schraube lösen und ganz herausschrauben. Dann lässt sich das Gestänge von der verzahnten Stange abziehen.
Sämtliche Schrauben an der Ritzelabdeckung lassen sich mit einem 5er Inbus lösen. Auch die beiden Schrauben, welchen den Kupplungsnehmerzylinder mit der Ritzelabdeckung verbinden.
Ein kleiner Tipp: Schrauben lassen sich viel einfacher wieder ihrem Platz zuordnen wenn man sie mit System nach dem Lösen ablegt.
Ein ausgedienter Karton ist perfekt. Ich hatte leider keinen Karton aus Wellpappe mehr, die Verpackung der Fertigpizza von gestern ging auch.
Der Anblick der Innenseite der Ritzelabdeckung löst wenig Freude aus. Gesammelte Werke aus vielen Jahren und von vielen abgespulten Kilometern präsentieren sich als zähe Paste.
Abgeschleudertes Fett und Öl (vom Kettenöler) haben sich mit Staub und sonstigem Dreck zu einer zähen Paste verbunden. Diese fühlt sich teilweise wie Gummi an, so zäh ist das Gemisch. Hier hilft nur vorsichtig den »Schmodder« mechanisch abzutragen. Wild mit Bremsenreiniger oder Kettenreiniger zu Arbeiten bringt nichts. Dafür ist das klebrige Zeug einfach zu übermächtig.
Einfach mit einem alten Schraubendreher oder sonst einem stumpfen Werkzeug mit dem Abschaben des Drecks beginnen. Ich habe noch etwas Wasser aufgesprüht – damit das zerbröselnde Zeug möglichst gleich am Stück in den bereitgestellten Mülleimer fällt.
Langsam aber Sicher kamen so die beiden Kreuzschlitzschrauben zum Vorschein, welche ein Blech über dem Kupplungsnehmerzylinder festhalten. Dieses Blech muss entfernt werden, ansonsten kann der Zylinder nicht ausgebaut werden.
Wenn sich die Schrauben öffnen lassen: Glück gehabt! Weitermachen. Falls nicht: Bohrmaschine, Windeisen und Linksausdreher auspacken und so den beiden Schrauben Herr werden.
Nachdem die beiden Schrauben und das Blech entfernt waren, wollte sich der störrische Kupplungsnehmerzylinder noch immer nicht von der Ritzelabdeckung trennen lassen.
Die klebrige Paste hatte sich auch in den Zwischenraum gesetzt und sorgte dort im wahrsten Sinne des Wortes für eine »saugend-schmatzende« Verbindung. In den Spalt habe ich noch etwas Silikonspray gesprüht, das kam aber umgehend wieder hervor. Hier kam ich nur mit einem Hammer und einem Holzstück weiter. Vorsichtig mit leichten Schlägen auf das Holzstück, schon gab der Zylinder nach.
Nebeneffekt der Schläge: Der Kolben ist aus dem Zylinder gefallen. Nun hatte ich also drei Teile: Die Ritzelabdeckung, Den Zylinder und den herausgefallenen Kolben samt Feder und Dichtring. Vielleicht ergeht es ja andern ebenso.
Nun könnte man – wenn man es gekauft hätte – das Reparaturset für den Kupplungsnehmerzylinder anwenden. Ich habe mir jedoch einen kompletten, gebrauchten und auf funktion geprüften Zylinder gekauft. So zumindest die Angaben vom Verkäufer.
Das Reparaturset kostet zwischen 35 und 45 Euro. Ich wollte es eigentlich einfacher haben und habe mir daher für knapp 50 Euro wie eingangs schon geschrieben einen kompletten und gut erhaltenen Kupplungsnehmerzylinder gekauft. Damit wollte ich schneller ans Ziel beziehungsweise zu einer funktionierenden Kupplung kommen.
Eigentlich, denn es sollte leider nicht einfach so funktionieren.
Der Einbau des Zylinders und der Ritzelabdeckung erfolgt in umgekehrter Reihenfolge zum Ausbau der Teile. Also alles kein Hexenwerk? Stimmt.
Knifflig wird es erst beim Befüllen der Leitung und der Entlüftung des Zylinders. Tja... Und genau an diesem Punkt wurde dann klar, dass ich den mutmaßlich defekten Zylinder gegen einen definitiv defekten Zylinder getauscht habe.
Direkt nach dem Befüllen, gerade als ich mit dem Entlüften beginnen wollte, lief auch schon Bremsflüssigkeit hinter der Ritzelabdeckung hervor. Offensichtlich ist die Dichtung um den Kolben verschlissen beziehungsweise defekt. Da sich nun nicht mehr Unmengen an Schmodder hinter der Ritzelabdeckung befanden, konnte die Bremsflüssigkeit zügig ablaufen.
Also bin ich genau da wo ich ein paar Stunden früher schon war: Ich besitze eine nicht fahrbereite GSF 1200 mit defektem Kupplungsnehmerzylinder.
Tja... Keine Testfahrt, keine größere Tour. Ich spiele jetzt erneut mit dem Gedanken die Maschine so wie sie ist, also mit inkontinentem Nehmer, zu verkaufen. Dann wäre das Kapitel GSF 1200 (GV75A) nach über 540 Euro für HU und neue Reifen im letzten Jahr, neuer Batterie und (defektem) neuen Nehmerzylinder abgehakt.
Bremsflüssigkeit aufgefangen und abgesaugt, Plane drüber, fertig. Die Plane ist übrigens noch immer jene, welche ich als Superschnäppchen im vergangenen Herbst gekauft habe. Immerhin hat die ihren Zweck tadellos erfüllt. 100% wasserdicht, der Anbieter hatte nicht geflunkert.
Vielleicht findet sich ja jemand, der sie wieder herrichten will und mehr Zeit, Geld und Vergnügen investieren will, als ich es mir gerade vorstellen kann?
Wie gesagt: Die Reifen sind neu, die HU auch fast frisch... Wenn da nur nicht die Sache mit der Kupplung wäre.
Ich hole dann mal Angebote ein. Oder soll ich doch noch einen Reparatursatz für den Kupplungsnehmerzylinder kaufen? Für heute habe ich genug. Jetzt darf ich mich erst einmal damit beschäftigen den schwarzen, klebrigen Dreck unter den Fingernägeln zu entfernen. Das Zeug klebt nicht nur an der Innenseite von Ritzelabdeckungen. Auch unter Fingernägeln scheint es sich wohl zu fühlen...
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Datum: | 26.03.2016 |
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Kommentare
Steffen
schrieb am 07.10.18 um 14:01 Uhr:
Habe das gleiche Problem bei meiner GSF 1200.
Allerdings wäre in deinem Fall ein neuer Nehmerzylinder mit knapp 75 Euro auch nicht viel teurer gewesen...
Artikelnummer (GSF1200): 068.23160-06B03-000
VG
Steffen
X_FISH | http://www.600ccm.info
schrieb am 07.10.18 um 19:51 Uhr:
Hallo Steffen,
Meine erste Suche ergab damals einen deutlich höheren Preis (bei Suzuki-Vertragswerkstatt angefragt). Ich habe mir 2016 noch ein originales Ersatzteil gekauft und die Reparatur damit durchgeführt. Kosten inkl. Versand: 71,84 Euro.
Der Beitrag dazu: Der neue Nehmerzylinder an der GSF ist montiert
Grüße, Martin