Strahlender Sonnenschein – zumindest wenn man dem Wetterbericht glauben kann. Morgen ist in Deutschland ein Feiertag, daher konnte beziehungsweise wollte ich nicht auf eine Ausfahrt verzichten.
Aber der Himmel? Die Wolken? Das sieht nicht wirklich gut aus. Und allzu warm ist es auch nicht wenn die Sonne es nicht so richtig durch die Wolken hindurch schafft. Aber wozu habe ich eine warme, alte Jacke von Hein Gericke wenn nicht für genau dieses Wetter?
Also Ölstand kontrollieren, noch ein letztes Bild vom Tacho vor der Abfahrt, Koffer und Topcase bepacken und ab in Richtung Österreich beziehungsweise in Richtung Schweiz. Kaum auf der österreichischen Autobahn kann man zwischen den Bergen hindurch sehen wie nach und nach der Himmel immer heller wird, die Wolkendecke schließlich aufbricht und man nach etwa 40 Kilometern im strahlenden Sonnenschein dahinrollt.
Zum Tanken wollte ich noch an einem Geldautomat ein paar Euro abheben. Dank Visa-Kreditkarte kostenfrei – sofern man einen Automaten findet. Also bin ich auf gut Glück an der ersten Autobahntankstelle mit angegliedertem Rasthof rausgefahren und habe mal freundlich nachgefragt. Die Antwort kam recht ruppig-unfreundlich: »In ganz Österreich gibt es keine Geldautomaten an der Autobahn. Kann ja sein das das in Deutschland üblich ist. Bei uns aber nicht!«.
Ich habe mir es einfach verkniffen zu sagen, dass ich bereits an der A12 einen Geldautomaten vorgefunden hatte. Nur keine Diskussionen. Also bin ich einfach die nächste Ausfahrt runter und habe an einem Geldautomaten in Wörgl meine Euro abgehoben. Das dort einer ist wusste ich schon von frühren Fahrten mit PKW und Motorrad durch Wörgl hindurch.
Knapp 3 Stunden und 30 Minuten nach der Abfahrt inklusive Zwischenstopps an dem Geldautomaten und einer Tankstelle in Schwaz bin ich dann dort, wo ich heute sein wollte: Am Grauner Turm, Reschensee. Knapp eine Stunde mehr als vom Online-Routenplaner prophezeit. Aber der ging wohl auch nicht von den diversen Baustellen und Bereichen mit Tempo 80 aus.
Damit hatte sich auch die theoretisch vorhandene Option erledigt noch am gleichen Tag zurückzufahren. Der »point of no return« war somit durch die Uhrzeit überschritten worden. Also weiter durch Italien in Richtung Schweiz. Das Tagesziel sollte eine Jugenherberge sein, welche ich schon 2011 für eine kleine Tour im Internet herausgesucht hatte. Unweit vom Stilfser Joch und eben auch nicht wirklich weit vom Reschensee entfernt.
Strahlender Sonnenschein, nur einige wenige Wolken am Himmel. Einfach herrlich. Daher habe ich dann auch noch vor dem geplanten Stopp in Graun für ein paar Bilder (und zum Ausschütteln der Arme und Beine) kurz vor Nauders einen kleinen Halt eingelegt.
Entstanden sind die beiden Bilder (siehe oben und links) bei der Karlskapelle, bei welcher sich auch eine Bushaltestelle befindet.
Über einen Online-Routenplaner kann mit den Angaben »Karlskapelle 6543 Nauders« die Stelle einfach gefunden werden. Gegenüber vom Parkplatz ist ein ziemlich heruntergekommen aussehendes, teilweise aber schon renoviertes, ehemaliges (?) Hotel.
Aber eigentlich will man beim Thema Reschenpass ja dieses Bild hier sehen: Der Grauner Turm im Stausee. Die Panoramaaufnahme dekt etwa 160° ab und besteht aus mehreren Einzelbildern, welche ich am PC dann zusammengesetzt habe[1].
Offensichtlich war ich nicht der einzige Motorradfahrer, welchen es am späten Nachmittag an den See gezogen hat. Allerdings war ich der einzige mit einer Yamaha XJ 600 S zwischen vielen BMW und einer Ducati. Die anderen Maschinen haben trotz optisch deutlich mehr nach Enduro aussehender Anbauten auch noch viel gepflegter ausgesehen.
Okay, sie waren schließlich auch alle deutlich jünger im Vergleich zu meiner 17 Jahre alten XJ 600 S. Da konnte sich gar nicht so viel Dreck ansammeln.
Mitleiderfüllte Blicke konnte ich durch das heruntergeklappte Innenvisier von meinem Helm erkennen. Ob das Mitleid mir galt oder dem Zustand meiner XJ 600 S? Das habe ich nicht hinterfragt. Nach dem Abnehmen vom Helm wurde ich jedenfalls artig und freundlich gegrüßt – und beim Aufsteigen wurde mir eine gute Weiterfahrt gewünscht.
Um 17:26 Uhr noch ein kurzer Halt an einer der letzten Banken vor der Grenze zur Schweiz um noch einmal in Euro Geld abheben zu können. Trotz der Baustelle vor der Türe war der Geldautomat glücklicherweise noch in Betrieb und Dank der bereits erwähnten Visa konnte ich problemlos und gebührenfrei von meinem Girokonto in Deutschland noch ein paar Euro zum Tanken und für die Übernachtung abheben – in Italien.
Die von mir für die Übernachtung online herausgesuchte Jugendherberge in der Schweiz ist ein wenig versteckt und befindet sich linker Hand in einer sehr engen Ortsdurchfahrt. Wer nicht genau aufpasst beziehungsweise wegen Fußgänger und Gegenverkehr nicht aufpassen kann, der fährt womöglich am Schild vorbei. Wobei es eigentlich gut sichtbar angebracht ist. Den Hinweis über die versteckte Lage hatte ich im Internet schon gelesen und war daher vorgewarnt.
Der Bereich vor dem Eingang bietet eigentlich keine großzügige Möglichkeit zum Parken. Eine winzige Bucht ist vorhanden damit man seinen PKW zum Ent- und Beladen abstellen kann. Mit dem Motorrad schlängelt man sich aber einfach an den Metallstangen vorbei und stellt sich anschließend vor die Hauswand. So wie es auch die Radfahrer vor und nach mir gemacht haben.
Das die Bilder alle so blaustichig wirken ist übrigens kein Fehler meiner kleinen Digitalkamera. Ich habe auch bewusst den Weißabgleich nicht verändert. Es war tatsächlich diese Stimmung, welche im Dorf bei meinem Eintreffen vorhanden war: Im Schatten des Berges war alles in eine bläuliche Stimmung gehüllt während man ein paar Höhenmeter weiter oben noch das Blau des Himmels und einen von der Sonne angestrahlten Wald erspähen konnte. Genau diese Stimmung wollte ich auch mit der Kamera einfangen.
»Jugendherberge Val Müstair«[2] – mein Domizil für die Nacht. Meine XJ 600 S musste ich leider auf einem nahegelegenen Parkplatz platzieren. Dort stand sie dann in nicht ganz so attraktiver Lage: Container für Altglas und Altkleider. Aber immerhin musste sie nicht in einer der engen Gassen an die Wand gepresst herumstehen.
Auch die Radfahrer haben ihre Drahtesel weggestellt. Jedenfalls konnte ich nach dem Einkaufen kein Fahrrad mehr unten am Fuße der Treppe vorfinden.
Aber so ein Fahrrad lässt sich auch einfach Schultern und hinter das Haus tragen. Mit den über 200 kg der XJ 600 S lässt sich das nicht so einfach bewerkstelligen.
Die Übernachtung bezahlte ich in Euro, das Wechselgeld in Franken überließ ich der Jugendherberge als Spende. Was ich jedoch nicht bedacht hatte: Im nahegelegenen »Volg« galt das gleiche Spiel: Mit Euro bezahlen aber in Franken das Wechselgeld bekommen. Tja, jetzt habe ich also wieder einige Franken als Münzen in meinem Geldbeutel.
Mit im Zimmer waren auch noch ein Radfahrerpärchen sowie ein alleinreisender Radfahrer – samt deren umfangreichem Gepäck. Irgendwie hatten die wohl mehr vor als ich, denn ich hatte trotz Topcase und Koffer weitaus weniger Gepäck mit dabei. Allerdings waren sie auch für mehr als nur zwei Tage und einer Übernachtung ausgerüstet.
So sah mein Bett für die Nacht aus: Die obere Matratze blieb vakant, die untere diente mir als Schlafstätte. Im Hintergrund ein alter Bekannter: Ein GORM von IKEA. Die sind mir bestens bekannt, auch wenn ich sie hinter bunten Decken verstecke[3].
Die Motorradjacke kam auf einen Kleiderbügel und wurde einfach an den GORM gehängt.
Mein gutes, altes Motorola Mobiltelefon durfte sich auch mal wieder mit dem Netz verbinden, in welchem es ursprünglich per Simlock beheimatet war: »orange CH«. Der große, runde Knopf in der Mitte ist übrigens nicht mit Dreck verschmiert. Es löst sich lediglich unschön und unregelmäßig das aufgedampfte Aluminium vom Kunststoff ab.
Die unteren vier Fenster gehören zu dem Raum in welchem die Radfahrer mein Schnarchen die Nacht über ertragen mussten. Wobei das Schnarchen als gerechte Strafe angesehen werden kann. Während ich schon um 20 Uhr die Augen schließen wollte kamen zwei der drei Radfahrer nicht gerade lautlos ins Zimmer und ließen das Licht brennen. Das alleine würde ja noch nicht einmal so stören, wenn sie sich denn entscheiden könnten ob sie nun lieber im Zimmer verbleiben oder sonst wo im Haus herumsitzen wollen.
Der dritte Radfahrer kam so gegen 21 Uhr ins Zimmer, legte sich ebenfalls hin und nur unwesentlich später war das Licht schon wieder an. Gegen 22 Uhr kam Hoffnung auf: Alle in ihren Betten und das Licht war auch aus. Endlich!
Allerdings: Die Fraktion der lichtbrennenlassenden, herumpolternden Radfahrer schlief auch prompt ein und dank dem nicht gerade leisen Schnarchen welches dann aus deren Ecke erklang konnte ich wieder nicht schlafen. Zefix! Ganz großes Kino also...
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Datum: | 02.10.2012 |
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