Der dritte und somit letzte Tag beginnt. Ich bin mal wieder vor dem Wecker wach. Deutlich vor dem Wecker. Noch einmal umdrehen und eine Stunde länger schlafen. Als es dann endlich soweit ist und der Wecker um 7 Uhr seinen Job machen will, will ich nicht mehr. Also noch einmal Snooze, Frühstück ab 8 Uhr ist früh genug, da kann man noch mal 10 Minuten verlängern.
Trotzdem linse ich aus dem unteren Bett hervor und sehe wie der Himmel keine Wolke zu bieten hat. Na, dann wird es heute wohl eine trockene Heimfahrt geben?
Drei Semmeln, jeweils mit Salami und einer Scheibe Käse belegt für mich, Öl für die R 1150 GS. Schon wieder. Gestern hatte ich kurz nach der Grenze zu Deutschland in Luxemburg 250 ml bei einem Stopp an einer Tankstelle nachgefüllt, heute landet in der Früh der restliche mitgeführte Vorrat in den Motorblock der BMW.
Ich hätte mehr mitnehmen sollen. Alle Zeichen deuten darauf hin, dass ich heute noch mal irgendwo mindestens einen halben Liter für Unterwegs kaufen sollte. Auch wenn sich der 19 Jahre alte Boxer sicherlich nicht so viel »durchzieht« möchte man ja doch eine Reserve parat haben.
Gestern abend hatte ich die BMW schon auf den Hauptständer gestellt. Das noch warme Öl hatte nach einer gewissen »Abtropfzeit« den Rand vom roten Ring wieder erreicht, heute früh hatte sich das abgekühlte Öl soweit zurückgezogen das der Stand unterhalb vom roten Ring war. 996 km bin ich in den letzten beiden Tagen gefahren, 500 ml 20W-50 hat sich die BMW »reingezogen«. Normal war bisher die Hälfte.
Das kleine rote Gebinde für das Öl hatte ich gestern abend nicht aus dem Koffer genommen. So hatte es – wie der Rest der Maschine – eine Temperatur von irgendwo zwischen 12 und 15°C. Entsprechend eher zäh als flüssig gestaltete sich das Auffüllen der 250 ml.
Immerhin tropft so nichts, das Öl ist einfach so zäh das es sich eher wie Honig als wie eine Flüssigkeit verhält.
Mein Tun wird misstrauisch beäugt, eine Schülerklasse beobachtet sehr genau was der langhaarige Typ an der dreckigen BMW da so treibt. Es fragt sich aber niemand nachzufragen. Wenig verwunderlich, schließlich haben zwei der Kameraden es nicht mal geschafft »Guten Morgen« zu sagen als sie in den Speisesaal geschlappt sind.
Langsam und sehr, sehr gemütlich »fließt« das Öl hinunter und am Schauglas lässt sich irgendwann auch ablesen das der Stand wieder knapp unterhalb der Mitte ist. Wohlgemerkt im kalten Zustand. Im warmen Zustand wäre er wieder etwas darüber.
Ich lasse die letzten Tropfen in den Motor laufen und kontrolliere in der Zwischenzeit die Maschine. Reifen? Sehen soweit gut aus. Bremsleitungen, Ölöffnungen von Getriebe und HAG? Trocken. Gesamtzustand? Dank der zahlreichen Regenkilometer gestern ordentlich eingesifft.
Das Schöne an den Alukoffern: Sie sind deutlich schneller bepackt als eine Gepäckrolle. Außerdem muss man sie nicht vollstopfen damit sie die Form halten.
Der Trinkrucksack ist auch wieder aufgefüllt worden und wird mich die nächsten Stunden begleiten und mit Flüssigkeit versorgen. Warm soll es werden, ich freue mich jetzt schon auf die diversen Waldpassagen in denen ich mich im Schatten in Pausen unterstellen kann.
Was ich an Übernachtungen in Jugendherbergen auch zu schätzen weiß: Am letzten Morgen einfach Bettlaken, Kopfkissen- und Bettdeckenbezug abziehen und in einen Wagen werfen – fertig. Einfach vor Ort lassen, kein zusätzliches Gepäck. Weder bei der Anreise noch auf der Heimfahrt (oder wenn man zwischen mehreren Jugendherbergen unterwegs ist).
Der Start verläuft etwas holprig. Ich starte in den Berufsverkehr von Saarbrücken und prompt beschlägt meine Navitasche von der Restfeuchtigkeit vom Regen in Luxemburg. Also fahre ich erst einmal blind den Schilder nach, werde von einem PKW Fahrer offensichtlich übersehen welcher direkt neben mir die Spur wechseln will – auf meine Spur! Aber: Alles geht gut, dank Bremsmanöver keine Kollision und ich verabschiede mich gedanklich nun völlig von der häufig in Foren zu findenden Aussage »mit großen Koffern wird man von anderen Verkehrsteilnehmern anders wahrgenommen«.
Nachdem ich Saarbrücken verlassen habe geht es aber zügig voran. Über Saargemünd werde ich in nur wenigen Kilometern Entfernung zur deutsch-französischen Grenze bis nach Glasenberg geführt, dem ersten Nachweispunkt am heutigen Tourtag.
Die gestern vom Regen völlig durchweichten Handschuhe sind inzwischen wieder trocken. Über Nacht hatte ich sie ans gekippte Fenster gelegt, die übrige Restfeuchtigkeit bläst gerade der warme Fahrtwind aus dem Handschuh heraus. Es ist 9:29 Uhr, ich bin seit knapp einer halben Stunde unterwegs und das Multifunktionsdisplay einer Apotheke teilt mir 21 °C als aktuelle Temperatur mit. Die spüre ich auch schon unter der Jacke und mache bei meinem kurzen Stopp die Belüftungsöffnungen ein klein wenig auf.
Ein paar Kilometer weiter fahre ich von der gut ausgebauten D620 auf die D84 ab. »Rives Dangereuses« – mein nicht vorhandenes Französisch kommt mal wieder an die Grenzen. Also mit Kurven hat es definitiv nichts zu tun, die D84 ist an dieser Stelle kerzengerade. Ich halte also nach sonstigen Gefahren Ausschau. Daheim erklärt mir der Übersetzer das es sich um »gefährliche Ufer« gehandelt habe. Nun denn, ich habe zwar die kleine Brücke bemerkt, aber das war's auch schon.
»Glasenberg« – der erste Nachweis. Die Sonne steht eigentlich schon recht hoch, trotzdem wirft die BMW einen langen Schatten. Es ist aber schon 10:08 Uhr, ich habe also über eine Stunde für die Strecke gebraucht welche eigentlich in 50 Minuten hätte bewältigt werden sollen. Zumindest laut heimischer Planung am Computer. Für die Tour heute habe ich mir einen Puffer von 3 Stunden gesetzt um noch bei Tageslicht heimkommen zu können. Wenn ich so weitermache wird das definitiv nichts.
Weiterfahren, nicht lange über gemachte Pläne grübeln. Schließlich fahre ich weder eine Rallye noch ein Rennen und die Fertigpizza wartet daheim auch länger auf mich ohne sich anschließend zu beschweren.
So erreiche ich über einsame da außer mir scheinbar heute von kaum jemandem befahrene Landstraßen den nächsten Nachweispunkt »Puberg, Col de«.
Parken am Straßenrand? Kein Problem. Ich habe den Eindruck das zumindest in dieser Ecke von Frankreich selbst schmale Straßen breiter ausgebaut sind als es in Deutschland üblich ist.
Der große Parkplatz am Nachweispunkt »Petite Pierre, La« bietet noch mehr Platz zum Anhalten. Ich werde von der Bushaltestelle aus beäugt, nicke freundlich zu den älteren Herrschaften hinüber. Ein Mann grüßt mich mittels Winken zurück, zwei ältere Damen schauen ertappt zur Seite.
Im Augenwinkel und im Spiegel der BMW kann ich aber erkennen das sie weiter höchst interessiert daran sind wie ich mein kleines Stativ auspacke und mit Gegenlicht und Selbstauslöser spiele. Noch ein ordentlicher Zug aus dem Trinkrucksack und schon kann es weitergehen. Das Wasser im Rucksack wirkt jetzt schon kühler als die Luft beziehungsweise dem Klima unter Helm und Jacke.
Das Navi führt mich durch ein Waldstück. Es wird deutlich angenehmer, die Temperatur fällt (auch in der Jacke) und das Navi lässt sich wieder perfekt ablesen. Noch immer ist ein wenig Feuchtigkeit vorhanden. Spritzwassergeschützt ist es ja, aber bei dem Temperatursturz während der Regenfahrt wird es wohl durch diverse kleine Öffnungen auch das Regenwasser nach innen gezogen haben.
Im Wald ist das egal. Auch wenn sich an der rechten oberen Ecke noch ein wenig Feuchtigkeit hartnäckig hält ist alles gut abzulesen.
Warum hängen in Frankreich eigentlich diese Wanderschilder (?) immer so hoch in den Bäumen? Sind die Bäume alle gleich schnell gewachsen und es gab vor einigen Jahren mal die Aktion das man die Schilder angebracht hat? Oder hängen sie so hoch damit sie nicht gestohlen werden können?
Oder hängen sie so hoch damit man sie besser sehen kann? Falls mich jemand aufklären kann: Im Kommentarbereich am Fuß der Seite ist Platz dafür.
»Tête du Christ, Col de la« – das bekomme ich auch ohne Übersetzer noch hin. Nur habe ich das Relief mit dem Kopf leider nicht entdecken können. So musste dann eben das besagte Schild hoch oben am Baum für den Nachweis herhalten. Dank Deppenzepter (Selfiestick) und Fernauslöser gelingt die Aufnahme fast auf Augenhöhe.
Ich scheine die Route in die richtige Richtung geplant zu haben. Das Schild am Nachweispunkt »Saverne, Col du« steht auf der richtigen Straßenseite und es ist auch viel, viel Platz auf der breiten Straße. Parken und ein Nachweisfoto machen ist also problemlos möglich.
Worüber ich aber grüble: Das Öl habe ich zwar nachgefüllt, wenn der Verbrauch aber weiterhin so hoch ist brauche ich unterwegs auf jeden Fall noch einmal etwas zum Nachfüllen. Nur wo soll ich es kaufen? Extra einen Baumarkt suchen und anfahren? Wie ich es sonst mache in einer Werkstatt fragen? Oder beim nächsten Tankstopp einfach mal einen Liter an einer Tankstelle mitnehmen?
Mein Blick schweift unterwegs regelmäßig über den Tacho und den Tageskilometerzähler. Über 230 km bin ich seit dem letzten Tankstopp in Luxemburg bereits gefahren, bislang habe ich in Frankreich jedoch keine Tankstelle am Wegesrand gehabt. Die nächste Tankstelle werde ich also ansteuern!
Ich lege 50 Euro auf den Tresen und erhalte 17,71 Euro zurück. Beim PKW bin ich das gewohnt beziehungsweise da reichen 50 Euro alleine schon häufig nicht mehr aus. Aber beim Motorrad?
Es kam zusammen was eigentlich nicht zusammengehören sollte. Mein Wunsch auch noch einen Liter Öl zur Sicherheit zu kaufen, die in Frankreich üblichen Preise für Benzin und das es kein E10 mehr gibt.
Fünf verschiedene Sorten – und ich muss zum teuren »SP 98« greifen weil es kein E10 mehr gibt. Am ersten Tag der Tour war es andersherum, aber irgendwie gleicht sich das leider finanziell nicht aus.
Neben den beiden Dieselvarianten, dem SP98 und dem leider nicht verfügbaren E10 wurde auch E85 angeboten. Soll ich vielleicht ein Viertel E85 mit drei Viertel SP98 mischen? Nein, lieber nicht. Ansonsten würde sich die BMW wohl deutlich beschweren. Verlockend günstig wäre das E85 mit seinen rund 72 Cent pro Liter ja schon.
Auf dem Bild unten alle Preise im Überblick. Die beiden Preise unten sind die Dieselvarianten. Die kosten in Frankreich etwa so viel wie in Deutschland E10 und E5. E10 ist mit seinen 1,437 Euro pro Liter nur geringfügig teurer als das in Deutschland angebotene E10, SP98 haut mit 1,526 Euro pro Liter aber mal so richtig rein.
Darum den Tank nur zum Teil befüllen damit ich in Frankreich oder Deutschland dann noch einmal mehr tanken muss? Ich entscheide mich dagegen, tanke die BMW voll und nehme das 10W-40 mit.
Laut Freundes- und Bekanntenkreis sei es in der Ecke von Frankreich kein Problem auch auf Deutsch eine Unterhaltung zu führen. Zwar sei die deutsche Sprache dort in der Minderheit, gehöre aber zum Kulturgut und wird – wenn auch im Dialekt – noch immer gesprochen.
Tja, die Dame welche mir das Wechselgeld ausgehändigt hat war dann wohl nicht von hier aus Saverne beziehungsweise Zabern?
Ölstand? Gecheckt und geringfügig korrigiert. Knapp 100 ml haben hinein gepasst, jetzt ist der Stand wieder so wie es sein soll. Gefahrene Kilometer seit dem Start am Montag: 1'170 km.
600 ml auf etwa 1'200 km. Das ist heftig, würde aber zu den 500 ml auf 1'000 km passen. Ich bin froh einen ganzen Liter gekauft zu haben, schließlich sind es noch mindestens 400–500 km bis ich wieder daheim bin, also werden wohl noch einmal rund 250 ml zum Nachfüllen gebraucht.
Nachdem ich in Foren gelegentlich schreibe über 700 km an einem Tag zu fahren und/oder mehr als 10 Stunden an einem Tag fahre erhalte ich häufig die Frage »Wie hält man das durch?«. Die Antwort ist einfach: »Mit Pausen – und viel Flüssigkeit.«.
Daher stehe ich dann auch mal am Nachweispunkt »Huhnerferme« mit dem Schlauch vom Trinkrucksack im Mund und sauge mir wieder etwas vom mehr oder weniger frischen Nass aus der Blase.
Zudem fahre ich – selbst meinem Empfinden nach – nicht wirklich schnell. Ich bin gemütlich unterwegs, nutze bewusst die zahlreichen Gelegenheiten die Sitzposition während des Fahrens zu verändern und bleibe so mit fast dem ganzen Körper auch in Bewegung. Klappt leider nicht auf der Autobahn, dafür aber wenn es durch Waldstücke geht. Dort sind die Straßen nicht wie am Reißbrett geplant eine gerade Linie sondern laden mit mehr oder weniger ausladenden Kurven zum Verlagern des Körpergewichts ein.
Auch wenn es etwas zu Fotograpixeln gibt halte ich gerne mal an. Das Entspannt dann auch die Beine und während ich ein Foto von einem Straßenzug in einem Dorf mache kann ich auch mal aufstehen, das AirHawk Sitzkissen wieder in Position bringen und anschließend wieder etwas entspannter weiterfahren.
Die Ruine am Nachweispunkt »Geissweg« hat auch zum Absteigen eingeladen. Ein wenig die Beine vertreten, etwas Wasser trinken und natürlich Fotos machen. Das geht dann zwar alles vom Zeitpuffer ab, aber die zahlreichen kleinen Pausen sorgen sicherlich auch dafür, dass ich lange an einem Tag fahren kann – und machen die Tour auch deutlich angenehmer als zwei, drei Stunden lang nur die Autobahn sehen zu müssen.
Ganz anders beim Pässeknacken. Da landet man für die Nachweispunkte eben nicht nur (aber auch) bei weithin bekannten Motorradtreffpunkten sondern eben auch mal mitten irgendwo im Nichts in Frankreich.
Wohlwissend das der nächste Nachweis nur über die Autobahn erreicht werden kann und in Deutschland liegt mache ich noch einen kleinen Stopp. Vor mir fährt ein sehr flotter Franzose in seinem kleinen Post-Kastenwagen. Ich lassen ihn davonfahren und nutze die Chance noch einmal einzufangen was mich die letzten rund zwei Stunden primär begleitet hat: Das Spiel aus Licht und Schatten in den Wäldern.
Rund eine Stunde bis zum nächsten Nachweis verkündet mir der elektronische Helfer am Lenker. Er sollte sich irren.
Das ich einen Zeitpuffer einbaue liegt nicht nur an meiner gemütlichen Art das Motorrad zu bewegen. Es liegt auch nicht nur daran das ich gerne kleine Pausen mache. Auch die Stopps für die Passknackernachweise (zwischen einer und fünf Minuten lang) sind häufig nicht die Hauptursache für Verzögerungen.
Viel zweifelhafte Freude bereitet mir auch mein Navi und das darauf befindliche Kartenmaterial. Normalerweise ist nicht ganz aktuelles Kartenmaterial kein Problem. Selbst wenn neue Autobahnen oder Umgehungsstraßen gebaut wurden finde ich mich dann eben mittels Schildern zurecht beziehungsweise merke es manchmal nur wenn ich zufällig auf das Navi schaue das ich angeblich gerade über eine Wiese oder einen Acker fahre weil im Kartenmaterial die Straße noch nicht existiert.
Spannend wird es aber dann wenn beispielsweise Unterführungen ge- oder umgebaut werden. Da geraten dann Navigationssoftware, Kartenmaterial, Baustelle und ich irgendwie ohne Aussicht auf Konsens andeinander.
So gesehen auch irgendwo in Frankreich, den Namen der Ortschaft habe ich mir nicht gemerkt. Ich bin einer Umleitung gefolgt und hatte plötzlich keine Wegweiser mehr. Also bin ich wieder nach Navi gefahren. Das naive Navi hat mich dann auch zielstrebig zur Ursache für die Umleitung geführt.
Fliegen kann ich nicht, ein Sprung in die in Bau befindliche Unterführung scheidet auch aus. Also umdrehen, den Straßen parallel zu den Bahngleisen folgen und auf eine Überführung oder andere Unterführung hoffen. Klappt auch, frisst aber Zeit.
Endlich auf der A35, endlich läuft es gut? Na, nicht ganz. Auch hier wird eifrig gebaut und die Ausfahrt welche mein Navi für mich vorgesehen hat existiert gerade nicht. Der Fahrbahnbelag wird erneuert. Also verschiebt sich die Ankunftszeit mal wieder um einige Minuten nach hinten und ich fahre einen Teil der Strecke auf der anderen Seite parallel zur Autobahn wieder zurück.
Am Ende führt mich die Tour aber wie schon daheim geplant an Marckolsheim vorbei zum Rhein und ich kreuze den Rhein an einer Schleuse mit Schiffhebewerk um nach Deutschland zu fahren.
Da das Schiffhebewerk gerade fleißig arbeitet wird dies natürlich von einer Horde von Radfahrern beobachtet (welche dabei teilweise recht ungeschickt und aufgeregt den Vorgang beobachtend die Straße blockieren weil sie gar nicht auf den fließenden Verkehr achten ).
Mit 20 Minuten Verspätung – laut Navi – komme ich am Nachweispunkt »Kiechlinsberger Eck« an. Dies ist der erste von vier Nachweisen auf dem Kaiserstuhl. Mit dem Weißabgleich hat die kleine Kamera im Smartphone so ihre Probleme, statt sattem blau mit ein paar Wolken gibt es eher weiß zu sehen.
So schmilzt er dahin mein Zeitpuffer. Dafür habe ich noch etwa 180 km Reserve bis zum nächsten Tankstopp und der Ölstand im Schauglas sieht auch noch gut aus.
Während ich die Nachweispunkte anfahre »begleitet« mich eine Radfahrerrin. Kein Akku-Fahrrad, sondern ein »richtiges« Fahrrad. Offensichtlich ein reines Sportgerät, denn als wir uns am Nachweispunkt »Vogelsang-Pass« wieder begegnen (ich war zwischenzeitlich schon am »Bickensohler Steinfelsen«) trägt sie gerade mit einer Hand das Fahrrad die grasüberwachsenen Hügel hinauf und hinab und macht Fotos. Die Aussichtspunkte sind also auch bei Radfahrern beliebt.
Nicht nur bei Radfahrern übrigens, am Nachweispunkt war so gut wie alles zugeparkt. Nachdem ich mein Foto gemacht hatte, quetschte sich noch ein Kleinwagen vor meine BMW. Also wieder nichts von wegen »einfach nach vorne losfahren« sondern »rückwärts fußeln am Vogelsang-Pass«.
»Lindenbühl« – hier war ich noch nie. Ein kleiner aber feiner Übergang mit 15% Steigung auf beiden Seiten. Und ein angelegter Ausflugsort mit schicken Holzbänken. Eine Rentnergruppe hat das gute Wetter genutzt und sich zahlreich an eben diesen Sitzgelegenheiten eingesammelt.
Das Resultat: Wie beim Vogelsang-Pass waren viele, viele PKW vor Ort. Also musste ich ein wenig improvisieren. Schön dabei: Das Bild wirkt so als wäre man alleine in der Natur. So werden also vermutlich die Postkartenmotive gemacht – mit den anderen Touristen im Rücken.
Es geht weiter. »Kandel« – für die einen ein Graus, für viele Fahrradfahrer aber wohl ein beliebtes Ziel für's Training oder eben um das bisherige Training anzuwenden. Zur Erinnerung: Heute ist ein Mittwoch, die meisten sollten eigentlich noch beim Arbeiten sein. Trotzdem ist schon wieder einiges los auf der Straße zum Kandel hinauf.
»Straßenschäden auf 11 km« – und das seit Jahren. Zwar wurde ein kleines Teilstück jetzt schon mal nicht nur geflickt sondern vollständig mit einem neuen Straßenbelag versehen, aber das waren nur ein paar 100 Meter. Der größte Teil der 11 km den Kandel hinauf (beziehungsweise hinab) ist noch immer eine Stoßdämpferteststrecke.
Oben angekommen heißt es noch immer »Hier entsteht das Bergidyll "Kandel"« – bis jetzt sieht es zumindest von der Straßenseite her noch immer so aus wie die 11 km Straßenschäden. Immerhin: Es harmoniert miteinander.
Mein Navi kennt den Straßenzustand am Kandel nicht. Daher hat es eine sehr sportliche Zeit für die Fahrt hinauf veranschlagt. Ich liege etwa 8 Minuten über dieser Zeit.
Inzwischen ist es schon nach 16:30 Uhr. Ich schleiche einem belgischen Wohnmobil hinterher, möchte ja eigentlich nur relativ zügig zum Nachweispunkt »Potsdamer Platz« kommen.
Mit 30 bis 50 km/h und einem Wohnmobil welches beide Spuren belegt wird das aber nichts. Endlich bietet sich eine Chance zum Überholen doch kurz darauf biege ich schon nach links ab. Dort erwartet mich ein 3er BMW mit ortsfremden Kennzeichen – und so fährt er auch.
Wieder bleibe ich mit gemütlichen 30 bis 50 km/h hinter dem PKW, die Straße ist gut zu überblicken und eigentlich wären schon 60 km/h den Berg hinauf möglich. Da am BMW die Beschriftung auf der Heckklappe fehlt ist allerdings nicht klar ob es sich um einen 316er handelt oder ob ein größerer Motor verbaut ist. Ich tippe auf einen 316er mit einem ausgefallenen Zylinder. Anders lässt sich die Schleicherei eigentlich nicht erklären.
Der Zeitpuffer ist gewaltig geschrumpft. »Birkweghof«, »Mooshöhe« und »Thurner«. Wie auf einer Schnur aufgezogen liegen die nächsten drei Nachweise am Wegesrand. Im Westen verdunkelt sich der Himmel, noch kommt die Sonne aber gut durch. Trotzdem wird es langsam aber sicher kühler unter der Jacke und auch an den Fingern.
Am »Thurner« wird eifrig gebaut. Die aus Holz bestehende Verkleidung vom ersten Stock wurde abgenommen. Dabei sah die letztes Jahr doch noch gar nicht so schlecht aus? Vielleicht waren Arbeiten am Dachstuhl zwingend notwendig und dann macht man eben »alles auf einmal«? Ich bin schon gespannt wie es nächstes Jahr hier aussehen wird.
Die geschnitzte Eule am Nachweispunkt »Steinberg (Schwarzwald)« ist schnell fotograpixelt und ich stehe schon am Nachweispunkt »Margrutthäusle« und hole das Passknackerposter aus dem Tankrucksack. Da spüre ich plötzlich einen Druck am Bein.
Das sind also die Hunde welche gemeint sind wenn ein Schild verkündet »Vorsicht" Beherzter Hund!«. Ein solcher beherzter Golden Retriever wohnt also am Nachweispunkt »Margrutthäusle« und wollte nicht eher weichen bis er ein paar Streicheleinheiten bekommen hat.
Er bellt, sobald er Motorräder kommen hört (Reihenvierer scheint er nicht zu mögen), will aber bei abgestelltem Motor sofort seine Streicheleinheiten haben. Passknacker mit Hundeangst müssen also aufpassen!
Es ist inzwischen noch kühler geworden. An den Fingern wird es inzwischen zu kühl, daher wechsle ich vom Sommerhandschuh von Held auf das wind- und wasserdichte Modell von Polo.
Das Thermometer am Nachweispunkt »Höchstberg / Auf dem Höchst« teilt mir mit das es eigentlich noch gar nicht so kühl ist wie es mir vorkommt. Nun ja, das Ding steht aber auch oben auf dem Hügel in der Sonne und nicht mitten im Wald wo ich jetzt primär meine Kilometer abspule.
»Kohlwald«, dann »Linacher Höhe« – die Routenplanung war nicht so clever, ich hatte die Strecke zur »Linacher Höhe« irgendwie kürzer in Erinnerung. Aber dieses Jahr wollte ich den Nachweispunkt wieder anfahren, 2018 hatte ich ihn ausgelassen. Abgesehen von drei, vier Radfahrern war die Straße komplett leer. Kein Wunder, schließlich ist 18:00 Uhr auch schon vorbei.
Die Aral Tankstelle, an welcher ich 2015 mit meiner GSF getankt hatte, habe ich ganz ohne Navi wiedergefunden. Dort hat sich auch nicht viel verändert. Sogar die alte Tafel im BP-Design ist noch vorhanden. »Stehcafé Backshop« in gelb auf grün und darunter der Hinweis das Aral zur »BP Group« gehört sind klare Anzeichen dafür das hier vor etlichen Jahren von BP auf Aral umgeflaggt wurde.
Via Nachweispunkt »Auf der Steig« geht es zum letzten Nachweispunkt meiner dreitägigen Tour, dem Nachweispunkt »Friedrichshöhe«. Wie im letzten Jahr ist hier noch immer eine Baustelle, der Straßenbelag fehlt ab der Friedrichshöhe komplett. Trotzdem fahren einige PKW dort vorbei und ignorieren das große runde Schild mit weißem Kreis und rotem Rand.
Ob ich das auch tun kann? Na, lieber nicht. Dann doch lieber zurückfahren und über befestigte Wege vom Navi bis zur Autobahn führen lassen. Der Rest kommt dann von ganz allein.
Also den gleichen Weg wieder zurück und auf befestigten, nicht gesperrten Straßen den kürzesten Weg zur Autobahn finden. Also genau genommen den zweitkürzesten.
A 81, A8 – daheim. Immerhin kein Regen. Aber sonst bietet das Fahren auf der Autobahn nicht wirklich viel. Vielleicht brauche ich ja doch noch so ein ultramodernes Bluetoothding für den Helm. Dann kann ich mich von Kraftwerk beschallen lassen. Wie lang ist noch mal der Klassiker aus den 1970ern? Immerhin müssen rund zwei Stunden Autobahnfahrt damit musikalisch untermalt werden.
Mein Zeitpuffer ist verbraucht, die Sonne geht mal im Rücken, mal linker Hand langsam aber sicher unter. Ich erreiche irgendwann Stuttgart, habe dann die letzten Sonnenstrahlen von hinten oder von rechts.
Noch zeichnen sich selbst vor mir die Höhen der Schwäbischen Alb deutlich vom bläulich schimmernden Nachthimmel ab. Aber bevor es ganz dunkel ist lege ich noch einmal eine kleine Pause auf einem fast nagelneuen Parkplatz ein: »Vor dem Aichelberg«.
Es ist relativ viel los auf dem Parkplatz. Dort wo für PKW und Motorräder ausgeschildert ist tummeln sich Kleintransporter und Wohnmobile. Ein belgisches Wohnmobil belegt gleich mal drei Stellplätze – es wurde vom Fahrer so abgestellt das er gleich wieder vorwärts rausfahren kann. So habe ich seine sehr spezielle Art zu Parken jedenfalls interpretiert.
Damit ich ähnlich clever stehe beziehungsweise keiner in die Parklücke hineinfährt um dann festzustellen »Mist, da steht ein Motorrad« stelle ich mich an den Anfang vom freien Parkplatz neben dem belgischen Wohnmobil.
Ich steige ab laufe ein paar Meter und höre auf einmal »Haalt, Haalt, HAAAALT, STOOOOOP!!!!«. Vier Personen gestikulieren in Richtung vom belgischen Wohnmobil und signalisieren dem Fahrer er solle anhalten. Was macht der Held? Er fährt rückwärts weiter. Vor ihm war alles frei, er hätte einfach vorwärts von seinen drei belegten Stellplätzen losfahren können. Aber nein, er stößt weiter zurück.
Ich renne zum Wohnmobil und schlage beherzt mit der flachen Hand auf die Seite des Wohnmobils. Es bleibt stehen. Im Außenspiegel sehe ich wie mich jemand verständnislos anschaut. Inzwischen sind die vier Personen vor dem Wohnmobil angekommen und zeigen ihm abwechselnd Vogel, »Scheibenwischer« oder schlagen sich die flache Hand vor die Stirn.
Nur noch knapp 30 cm waren zwischen dem Schnabel meiner BMW und dem Fahrradträger des Belgiers. Ich schiebe die BMW rückwärts vom belgischen Wohnmobil weg, achte dabei auf das italienische Wohnmobil hinter meiner BMW – nicht das ich den Alukoffer in dessen Gefährt ramme.
Ich wollte doch nur noch einmal kurz eine Pause machen – und bekomme »Gratisaction«.
Nachdem der Belgier weg ist kehrt Ruhe ein. Ich kann nochmals versuchen ein Bild von meiner BMW mit dem schicken VW T1 auf dem Autotransporter zu machen, sauge den letzten Rest vom Wasser aus meinem Trinkrucksack und steige wieder auf. Inzwischen ist »richtig Nacht«, die Hügel und der Himmel vereinen sich zu einem gemeinsamen Schwarz.
50 Minuten später bin ich daheim, ein Teil vom Gepäck ist bereits abgeladen und das letzte Bild des Tages zeigt den Kilometerstand: 92'779 km. Rund 1'640 km bin ich in den letzten drei Tagen gefahren. Der Ölstand? Morgen wird noch einmal ausgeglichen, dann kann ich finale Zahlen zum Verbrauch durchgeben.
Jetzt rufen erst einmal Fertigpizza und ein kühles Getränk nach mir. Bilder davon? Gibt es keine. Für den heutigen Tag reicht es mit Bildern.
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Datum: | 21.08.2019 |
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