Warum sollte man sich aus dem Zubehörhandel schöne, einstellbare und in vielen Farben bunt eloxiert erhältliche Brems- und Kupplungshebel für 100 bis 150 Euro kaufen wenn man sie auch schon ab etwa 20 Euro bekommen kann? Ist das nicht eine völlige Geldverschwendung? Nur für einen Namen 80 bis 130 Euro mehr bezahlen? Das muss doch wirklich nicht sein?
Stimmt. Wenn es der Kupplungshebel ist kann man da wirklich sparen. Wenn es aber der Bremshebel ist nicht. Warum? Darauf gehe ich in meinem heutigen Beitrag ein.
Damit ich zwei Produkte für die gleiche Maschine vergleichen kann musste ich mir erst mal ein japanisches Modell heraussuchen für welches tatsächlich auch die Chinaware bei eBay verfügbar ist. Am Ende wurde es jetzt eine Suzuki SV 650 S (99-08) für welches ich zwei Angebote für Hebel gefunden habe.
Da hätten wir ein Angebot für Hebel von V-Trec (149,00 Euro Listenpreis, reduziert auf 94,99 Euro)[1] und für die gleiche Maschine dann ein China-Produkt der Marke »keine Ahnung« für den Kampfpreis von 18,79 Euro[2] – selbstverständlich beide inklusive Versand.
Ich habe mir jetzt nicht extra Hebel für eine Maschine gekauft die ich gar nicht besitze sondern greife auf vergleichbare China-Hebel zurück, welche sich mal jemand für seine Bandit 600 bestellt hat – aber dann nie verbaut hat und sie mir dann geschenkt hat als ich noch meine GSF 1200 hatte (bei welcher sie dann aber auch nicht gepasst hätten). Seit dem lagen sie dekorativ in ihrer Luftpolsterfolienverpackung herum. Total sinnvoll obendrein. Also mache ich heute mal einen kleinen Beitrag mit ihnen.
Was bekommt man für sein Geld aus dem fernen China? Also wenn man dem Anzeigentext so glauben darf sowas hier:
Wenn man mal ein Angebot mit deutschem Text findet liest es sich etwa so:
Was die Google-Sprachtools eben so hergeben.
Die Angabe »Rennen Brems- & Kupplungs-Hebel-Funktionen« ist übrigens schon ein erstes Indiz dafür das der Bremshebel nicht legal auf der Straße verwendet werden kann. »Rennen« soll suggerieren »Rennsporteinsatz« – dafür brauche man keine ABE.
Auch schön: »Nur für Rennräder« – »Racing Bike Usage Only« ist wohl die Quelle für diese Übersetzung.
So sieht das Resultat dann beispielsweise aus wenn man ganz klassisch (und unauffällig) in schwarz und »alu-natur« bestellt:
Der 6-fach verstellbare Hebel wird einfach über einen kleinen Hebel bedient. So wie es auch an den deutlich teureren Produkten von V-Trec und anderen Anbietern zu finden ist.
Es wird Zeit für ein paar Detailaufnahmen um zu sehen wie die Hebel aus China verarbeitet sind. Gibt es Unterschiede zu den teuren Produkten oder ist »alles gleich«?
Laut Forenbeiträgen sind die Hebel von V-Trec sauberer verarbeitet. Wobei das kein großer Unterschied sein soll, bei den China-Hebeln sieht man manchmal noch immer die Spuren welche die CNC-Maschine beim Fertigen in das Aluminium gefräst hat. Ist das auch zu spüren? Ja, ist es. Was bei für unter 20 Euro nicht weiter verwundern darf: Der eine Hebel hat diese Frässpuren, der andere ist glatt als hätte man ihn noch mal schön poliert bevor er eloxiert wurde. Vielleicht wurde das schlichtweg vergessen?
Falls es vergessen worden sein sollte ist das natürlich ein Argument für den günstigen Preis aber sollte einem bezüglich der Qualitätskontrolle natürlich schon zu denken geben, oder?
Die Hebel von V-Trec sind mit einer Sollbruchstelle versehen. Die Hebel aus dem Land im fernen Osten haben auf Bildern manchmal eine angedeutete Sollbruchstelle, manchmal auch nicht. Oder es kommt ein leicht vom Bild im Internet abweichender Hebel in Deutschland an. Damit muss der Sparfuchs in Deutschland dann eben leben.
Ich habe einige wenige Male einen V-Trec Hebel (beziehungsweise zwei pro Motorrad) anschauen können. Gekauft habe ich mir nie einen. Was mir aufgefallen ist: Die sehr, sehr saubere Verarbeitung. Da sieht man nach dem Eloxieren keine Bearbeitungsspuren mehr im Aluminium. Auch nicht an der Unterseite oder an den Stellen »wo man sowieso nicht hinschaut«.
Bei den China-Hebeln sieht das anders aus. Man kann zwar argumentieren das das alles nur Optik ist und nichts mit der Funktion zu tun hat, allerdings begründet es – wie schon angesprochen – sicherlich auch einen Teil vom Preisunterschied. Weniger Zeitaufwand, höhere Stückzahlen, niedrigerer Preis, höherer Gewinn.
Ich habe die Hebel nicht verbaut, also kann ich mir kein Urteil über die Funktion und Passgenauigkeit erlauben. Allerdings kann ich bestätigen häufig gelesen zu haben das die günstigeren Hebel in den meisten Fällen sehr gut gepasst haben und daher auch eine reibungslose Funktion möglich war.
Was laut Forenbeiträgen sehr gut bei den China-Hebeln funktioniert: Das Einstellen über die sechs Stufen. Die Einstellung scheint auch gut gehalten zu werden – soweit ich das bei den »Trockenübungen« der Hebel für die von mir gemachten Aufnahmen beurteilen kann.
Was ich zu bemängeln habe: Die sechste Stufe kennt noch »6,5«. Es ist also leider kein Anschlag vorhanden sondern man kann den kleinen Einstellhebel noch weiterdrehen. Dann rastet der Exzenter nicht bei Stufe 6 ein, sondern steht etwas über und somit »auf der Spitze« anstatt »flächig zu schließen«. Leider konnte ich keine Detailaufnahme machen, daher ein Bild auf dem man die »6,5« als Position einigermaßen gut erkennen kann.
Wie funktioniert der Verstellmechanismus? Der Hebel (silber) ist über ein federgelagertes Element mit der Aufnahme (schwarz) verbunden. Gemeinsam mit dem Hebel befindet sich auf einer Achse ein exzentrisch gestaltetes Element. Dieses wird mit durch den Hebel gedreht und rastet an der Aufnahme ein.
Der auf den Hebel ausgeübte Druck wird über dieses exzentrische Element auf die eigentliche Aufnahme ausgeübt. Je nach Stellung des Hebels (und des Elements) steht der Hebel näher oder weiter entfernt zum Griff.
Am äußersten Ende des Hebels beträgt der Unterschied zwischen Stufe 1 und Stufe 6 ganze 15 mm! Die Länge des Hebels (silber) ab Mittelpunkt der Schraube in der Aufnahme (dem Drehpunkt): 140 mm.
Ein erstes Fazit wäre somit: Die Hebel scheinen ihre Funktion zu erfüllen, sind günstig und sehen auch noch optisch ansprechend aus. Ob die Angaben im Internet tatsächlich das wirklich verwendete Material korrekt bezeichnen oder nicht? Das weiß wohl nur der Hersteller. Die Verarbeitungsqualität bezüglich der Passgenauigkeit und Funktion ist in Ordnung, im Detail merkt man aber insbesondere an der Oberfläche das hier mehr auf Quantität als auf makellose Erscheinung Wert gelegt wird.
Alles ganz einfach: Kupplungshebel brauchen keine ABE, Bremshebel brauchen eine ABE. Oder ein Teilegutachten damit sie per Einzelabnahme abgenommen und eingetragen werden können – was eher unüblich ist. Mir fällt spontan kein Bremshebel mit Teilegutachten ein.
»Ich darf also China-Hebel wie die oben im Beitrag als Kupplungshebel montieren?«
Ja.
»Ich darf aber nicht China-Hebel wie die oben im Beitrag als Bremshebel montieren?«
Ebenfalls ja.
»Wo ist denn da der Sinn?«
Man stelle sich vor man fährt auf eine Kreuzung zu und es bricht der Kupplungshebel beim Betätigen. Einfach so. Weil er gerade dazu Lust hatte (und einen Verarbeitungsfehler). Einfach Bremsen, gleichzeitig mit sanfter Gewalt die Gänge ohne zu Kuppeln runterschalten und sobald der Leerlauf gefunden ist → Killswitch betätigen. Das Motorrad steht.
So, und jetzt mal überlegen was passiert wenn man auf die Kreuzung zufährt und es bricht der Bremshebel.
Die Bremse ist immer stärker als der Motor und bekommt die Fuhre zum Stillstand – auch bei einer Notbremsung. Aber ohne Bremse wird es kritisch.
Es macht also durchaus Sinn das man als Bremshebel einen geprüften und somit (hoffentlich) guten Qualitätsprüfungen unterliegenden Hebel an seiner Maschine verbaut. Das die für die Zulassung (bzw. ABE) notwendige Prüfung Geld kostet ist auch klar. Das holt sich dann der Hersteller über den Verkaufspreis wieder. Was natürlich auch der Fall ist: Je mehr Konkurrenz es für die Hebel gibt, desto günstiger werden die Preise – auch für Hebel mit ABE.
Es muss so im Frühjahr 2016 herum gewesen sein. »Saisonstart«, Sonderangebote und viele, viele Rabatte – auch auf Neuvorstellungen. Da wurden Bremshebel mit ABE vom Hersteller »Titax« sehr in Foren beworben. Die Hebel von Titax waren teilweise zu attraktiven Preisen angeboten worden und sind auch aktuell noch im Sortiment von Polo zu finden.
Hersteller (laut ABE zu KBA 91556): Best Buy Products s.r.o., Hlásenka 1673, CZ-75501 Vsetin, Czech Republic.
Das Problem mit den Hebeln damals: Man konnte die Hebel mit der KBA 91556 bereits im Mai 2016 im Handel kaufen, die ABE wurde jedoch erst am 12.07.2016 erteilt und lag daher auch nicht den bereits ausgelieferten Hebeln bei. Das Problem konnte später durch die erteilte ABE mit der bereits eingravierten KBA Nummer behoben werden – außer wenn man zwischen Kauf und 12.07.2016 einen HU-Termin hatte...
Daher als Tipp: Vor dem Kauf in Foren einlesen was zu den Hebeln zu finden ist. Nicht nur ob sie gut aussehen und gut passen sondern auch ob eine ABE beim Kauf vorhanden war.
Was nicht mit Titax zu tun hat: Es werden leider auch günstige Nachbauten aus China angeboten. Eine KBA Nummer lässt sich einfach eingravieren. Daher bei supergünstigen Hebeln extrem aufmerksam sein. Neue Hebel mit einer KBA Nummer für 20 Euro inklusive Versand aus der Stadt China im Land China in der Provinz China? Finger weg!
Immer daran denken: »Wer billig kauft, kauft meistens zwei Mal«.
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Datum: | 10.03.2019 |
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Kommentare
Tom
schrieb am 03.05.21 um 21:22 Uhr:
Schwachsinn! Beide Hebel benötigen eine ABE! Ich will den Fahrer sehen, der bei einer Gefahrenbremsung noch die Gänge runterschaltet und den Leerlauf findet und dann den Killswitch betätigt. Wenn es um Meter und Sekunden geht dann Kupplung und beide Bremsen voll reinkloppen (mit ABS am Besten). So und nicht anders wird es auch in der Fahrschule gemacht. Der Kupplungshebel ist ein zur Bedienung des Kfz notwendiges Teil und daher zurecht aus o. g. Gesichtspunkten prüfungspflichtig.
X_FISH | https://www.600ccm.info
schrieb am 03.05.21 um 22:11 Uhr:
Die Wortwahl lasse ich unkommentiert. Für den Rest exemplarisch eine Quelle als Gutenachtlektüre:
»[...] Ordentlich gemachte Nachrüsthebel haben eine ABE (Allgemeine Betriebserlaubnis), welche man mitführen und bei Verlangen dem kontrollierenden Beamten vorzeigen muss. Das gilt übrigens nur für den Bremshebel, der Kupplungshebel ist nicht ABE-pflichtig. Bei einer Polizeikontrolle genügt meistens der Hinweis auf die am Hebel eingravierte ABE-Nummer, aber wenn man das ABE-Papier dabei hat, ist’s kein Fehler. Dies gilt vor allem im Ausland, denn österreichische oder Schweizer Beamte sind bei einer Verkehrskontrolle oft übergenau und schlagen leicht über die Stränge. [...]«
Quelle: www.motorradonline.de –Brems- und Kupplungshebel Pflegen und Tauschen | MOTORRADonline.de
Ebenfalls zur Lektüre und als Diskussionsplattform: http://www.verkehrsportal.de – Motorrad Kupplungshebel 100€ und 1 Punkt ? - Verkehrstalk-Foren