Dank eines Kommentars auf meinen Beitrag bezüglich der Frage »Sind Einhandmesser verboten?«[1] habe ich mir die Mühe gemacht mal zu schauen wie es denn eigentlich bei unseren Nachbarn aussieht.
Dabei bin ich über etwas gestolpert, was unter Umständen dem einen oder anderen teuer zu stehen kommen könnte: Die Waffengesetze in Großbritannien und der Schweiz. Denen widme ich mich heute – ohne dabei einen Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben.
Gesetze ändern sich, in den aktuellen Zeiten werden sie vermutlich eher restriktiver als lockerer. Das gilt nicht nur innerhalb von Deutschland sondern auch in anderen europäischen Ländern. Waffenrecht ist nationales Recht, daher kann man nicht einfach davon ausgehen das was daheim gilt auch in anderen Ländern so gehandhabt wird.
Warum ich gerade von Großbritannien und der Schweiz schreibe? In das eine Land möchte ich irgendwann einmal reisen, im anderen Land bin ich jedes Jahr mindestens einmal mit dem Motorrad unterwegs.
Warum ich mir ausgerechnet den Kubotan als Aufhänger für den Beitrag gewählt habe? In meinem Freundes- und Bekanntenkreis haben einige einen Kubotan als Schlüsselanhänger. Bislang bin ich davon ausgegangen das der gerne nach Selbstverteidigungskursen als Mitbringsel verschenkte Schlüsselanhänger generell nicht als Waffe eingestuft wird... Wer seinen Hausschlüssel daran befestigt und damit in die Schweiz (oder eben nach Großbritannien) reist kann eine böse Überraschung erleben!
Zunächst mal eine kurze Einführung was ein Kubotan ist, wie die Variante »Tactical Pen« aussehen kann und wofür sie eigentlich genutzt werden soll(t)en. Wikipedia[2] ist da schon sehr ausführlich in der Beschreibung, daher fasse ich mich kurz: Ein Kubotan ist ein aus Metall, Holz oder Kunststoff gefertigter Stab mit einer Länge von 13 bis 15 cm. Die Länge ist so gewählt, dass er in der Faust gehalten werden kann und beide Enden überstehen. Die überstehenden Enden können dann als sogenannter »Druckpunktverstärker« genutzt werden.
Es ist also zweifelsohne eine Waffe, welche jedoch eigentlich zur Selbstverteidigung und nicht als Angriffswaffe dienen soll(te).
Ein »Tactical Pen« ist eine Variante des Kubotan. Ein funktionsfähiger Kugelschreiber ist so konstruiert, dass er wie ein Kubotan eingesetzt werden kann. Es gibt diverse Varianten, welche in Deutschland frei erhältlich sind und auch geführt werden dürfen – da nicht als Waffe eingestuft.
Oben sind ja schon zwei Bilder von Kubotan beziehungsweise »Tactical Pen« zu sehen. Damit aber die Unterschiede klar werden beziehungsweise wenn jemand hier über den Beitrag gestolpert ist und gar nicht weiß wie die Teile aussehen gibt es hier ein paar Bilder (und noch etwas Text).
Der fotograpixelte »Tactical Pen« von »Laix«[3], der Kubotan ist von »Blackfield«[4]. Vom »Tactical Pen« gibt es diverse optisch identische Angebote mit unterschiedlichen, teilweise sehr phantasievollen Markennamen. Gleiches gilt für den Kubotan, es gibt auch Modelle aus Aluminium für unter 5 Euro.
Der »Tactical Pen« ist rund 15 cm lang und das spitze Ende ist wirklich sehr spitz. Das mag bei einer Selbstverteidigung in Ordnung sein wenn man durch mehrere Kleidungsschichten abwehren muss, ansonsten verdient das Gerät die Einstufung »Waffe« zurecht. Das Modell B8 von Laix wird teilweise auch als »Rescue Pen« angeboten. Die Spitze wird damit begründet, dass sie als Glasbrecher dienen soll.
Der Kubotan von Blackfield ist aus Edelstahl gefertigt und hat daher ein Gewicht von rund 100 Gramm. Ein Kubotan aus Aluminium mit der gleichen Größe wiegt mit rund 50 Gramm nur etwa die Hälfte. Er hat eine Länge von etwa 13 cm und zusätzlich noch eine Halteschlaufe aus Paracord, welche ein Herausrutschen beziehungsweise Verlieren des Kubotan (schweißnasse Hände) verhindern soll.
Deutlich zu erkennen: Die Spitze des »Tactical Pen« ist im Gegensatz zum Kubotan wirklich spitz. Die Verletzungsgefahr beim Blackfield Kubotan schätze ich daher (als Laie) als deutlich geringer ein. Außerdem zerstört der als Schlüsselanhänger konzipierte Kubotan in dieser Ausführung nicht die Hosentaschen.
Der richtige Umgang mit einem Kubotan wird in Selbstverteidigungskursen geschult. Zwar kann sich durch den bloßen Besitz auch schon ein Sicherheitsgefühl einstellen, aber ohne Unterweisung und Training ist auch ein Kubotan (oder ein »Tactical Pen«) erst einmal nur ein Stück Metall, welches man in der Hand hält.
Daher hier als Randbemerkung: Nicht nur kaufen und dann einstecken (falls noch nicht geschehen) sondern sich entsprechend damit trainieren oder zumindest unterweisen lassen.
»Kassensturz« ist eine Sendung im schweizerischen Fernsehen, welche wöchentlich auf SRF 1 ausgestrahlt wird. Die Inhalte der Sendungen sind dem Konsumentenschutz gewidmet. Im Beitrag »Vorbestraft wegen eines Schlüssel-Anhängers«[5] aus dem November 2014 schilderte das Leid einer Frau, welche 23 Jahre lang in der Schweiz unbehelligt einen Kubotan als Schlüsselanhänger getragen hat – bis sie bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen Zürich wegen ihm in Bedrängnis kam.
Das Resultat: Ein Strafbefehl mit finanziellen Folgen. CHF 300 Busse plus CHF 700 Verfahrenskosten.
Sie ist gegen den Strafbefehl mit einem Anwalt vorgegangen – erfolglos. Das dies kein Einzelfall zu sein scheint ist den Kommentaren auf der Seite zu entnehmen. Ein Lehrling ist ebenfalls am Flughafen Zürich in den Genuss der gleichen Behandlung mit den gleichen Folgen gekommen.
Neben dem nicht unerheblichen finanziellen Aspekt kommt noch etwas viel relevanteres hinzu: Man gilt aufgrund des (unterstellten) vorsätzlichen Verstoßs in der Schweiz als vorbestraft.
Wie unterschiedlich jedoch die Auffassung der Gerichte sein kann wird auch in der Schweiz deutlich. In St. Gallen hatte ein der Inhaber eines Waffengeschäfts »Tactical Pens« importiert – ganze 24 Stück. Der Zoll hat diese als Kubotan eingestuft und den Inhaber »verzeigt«[6]. Die Staatsanwaltschaft St. Gallen stellte fest: Ein »Tactical Pen« ist kein Kubotan und daher auch nicht verboten. Punkt.
Eigentlich hätte ich mit einer anderen Entscheidung gerechnet, ein »Tactical Pen« könnte schließlich auch als »getarnte Waffe« interpretiert werden, als »Waffe, die einen Gebrauchsgegenstand vortäuscht«.
Abschließend noch als Anmerkung: Der Begriff »Kubotan« taucht im schweizerischen »Bundesgesetz über Waffen, Waffenzubehör und Munition«[7] nicht auf. Bei den Begriffen (Artikel 4) ist lediglich zu finden:
Aber zumindest in den Fällen die nach der Kontrolle am Flughafen Zürich entstanden sind erfüllt ein Kubotan wohl auch eine Definition in dem Bundesgesetz.
In Großbritannien (also nicht nur Stadtmitte London sondern auch Wales, Schottland und Nordirland) gilt ein Kubotan als Angriffswaffe (»offensive weapon«). Damit erfüllt das Führen eines Kubotans – beispielsweise als immer im Zugriff befindlicher Schlüsselanhänger – als Straftatbestand.
Im knive-blog[8] wird ausführlich auf die Situation mit Messern und anderen als Waffen eingestuften Gegenständen erklärt. Ich schränke mich hier auf den Kubotan ein.
Es wurde ein .pdf veröffentlicht in welchem verbotene Gegensstände, welche als Angriffswaffen gelten, definiert wurden[[cite:9]. Der Kubotan mit mindestens einer Spitze ist in dieser Liste aufgeführt:
Der Umkehrschluss: Wer einen zylindrischen Kubotan ohne spitz zulaufendes Ende hat, sollte wohl keine Probleme bekommen. Ob man das im Zweifelsfall dem kontrollierenden Beamten am Flughafen oder sonstwo so vermitteln kann ist eine andere Frage.
Ein Kubotan mit mindestens einem spitzen Ende darf in Großbritannien übrigens nicht nur nicht Geführt werden, sondern er unterliegt auch einem generellen Importverbot. Sollte man seinen Hausschlüsssel mit spitzem Kubotan im verschlossenen Topcase oder Seitenkoffer eingepackt haben, hat man also ebenfalls ein Problem.
Hier und heute geht's um den Kubotan. Trotzdem je zwei, drei Absätze zur Situation mit Messern in der Schweiz und in Großbritannien.
In der Schweiz gelten ähnliche Vorgaben wie in Deutschland. Sogar mein kleines Einhandmesser (Klingenlänge 6 cm, Gesamtlänge geöffnet 16 cm) ist verboten weil die »Klinge mehr als 5cm lang ist UND die Gesamtlänge geöffnet mehr als 12 cm beträgt«. Am einfachsten fährt man also mit einem klassischen Taschenmesser ohne Einhandbedienung und ohne Arretierung in die Schweiz. Ein klappbares Messer wird übrigens in der Schweiz als »Sackmesser« und nicht als Taschenmesser bezeichnet.
Verbotene Gegenstände – wie beispielsweise der Kubotan oder auch das kleine Einhandmesser – dürfen auch nicht in die Schweiz eingeführt werden. Topcase oder Seitenkoffer sind genauso tabu wie die Hosentasche.
In Großbritannien ist es noch eine Spur härter. Einfach gesagt muss man davon ausgehen, dass man kein Messer jedweder Art führen darf. Wie man sich dann seine Brotscheibe auf dem Campingplatz abschneiden soll? Da greift die Ausnahme das es auf Privatgrund zulässig ist.
Insgesamt ist das britische Waffengesetz gerade im Bezug auf Messer sehr restriktiv. Das Mitführen von Messern mit feststehenden Klingen (unter 3 Zoll Klingenllänge, also unter 7,62 cm) für den Alltagsgebrauch (auch Camping) in einem verschlossenen Behältnis (Topcase, Seitenkoffer) sollte kein Problem darstellen. Jedoch ist schon mein recht stumpfes IKEA Messer mit dem ich mir die Butter auf's Brot schmiere schon mit einer Klingenlänge von 10 cm unterwegs.
Ein Einhandmesser in der Hosentasche geht in Großbritannien aber beispielsweise gar nicht. Es wird wie der Kubotan als Angriffswaffe eingestuft und ist daher eine verbotene Waffe.
Okay, du bist also hier gelandet. Entweder weil du alles gelesen hast oder weil dir meine Ausführungen zu viel waren und du gleich hier her ans Ende der Seite »gesprungen« bist.
Daher als minimale Zusammenfassung in drei Sätzen:
Im Falle von Schweiz und Großbritannien gilt: Lasst den Kubotan und besser auch den »Tactical Pen« daheim. Dann gibt's mit denen auch kein Problem in »fremden Landen«. Schont die Reisekasse und verhindert ungewollte Aufenthalte im Beisein von uniformierten Personen.
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Datum: | 30.01.2018 |
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Kommentare
schrieb am 02.02.18 um 13:53 Uhr:
Danke für den ausführlichen und toll recherchierten Artikel! Das erklärt auch, weshalb die Sicherheitskräfte in London einen irren Aufstand gemacht haben, als sie ein Sackmesser bei mir gefunden haben. Die Reaktionen schwankten zwischen bedauerndem Kopfschütteln (nach dem Motto "wieder ein Kontinentaltourist, der unsere Waffengesetze nicht kennt") bis hin zu "Alle in in Deckung, ein Terorrist" bei einer Kollegin. Nunja.
schrieb am 02.02.18 um 14:48 Uhr:
Würde das mir mit meinem äußeren Erscheinungsbild passieren gibt's bestimmt eine Meldung in der Tagesschau - mindestens jedoch in der Bild.
Wurde dir dein Sackmesser abgenommen?
schrieb am 02.02.18 um 14:57 Uhr:
Oh ja! Es wurde mir unter großem Waily-Waily abgenommen, in eine Platsikschale gelegt und von 2 Personen weggetragen. Als ich mit der Besichtigung von "The Shard" fertig war, durfte ich mich wieder bei der Security melden. Zwei Leute gingen dann los, um das Minimesserchen gemeinsam wieder aus dem Bombensicheren Waffenraum zu holen und mir zu übergeben, dann haben sie mich zum Ausgang begleitet. Ich habe damals nur gedacht: "WTF? Hatten die Angst, dass ich den Wolkenkratzer entführe und in ein Flugzeug steure oder was?"
schrieb am 02.02.18 um 15:05 Uhr:
Ah, mitten in London also und dann auch noch an ein einem so prestigeträchtigen Punkt. Da sind sie sehr sensibel. Mindestens so sensibel wie die Ohren der Wachtmeister am Kesselberg - »Horch, da kimmt ana!«.
Das du soweit mit dem Messer gekommen bist grenzt ja schon an ein Wunder – und da sind sie natürlich besorgt wenn du schon bis an ihre Pforten mit der riesigen Waffe gelangt bist.
Jetzt stell dir mal vor was passiert wäre wenn du auch noch einen gefährlichen Schlüsselanhänger gehabt hättest. Ist der Tower of London noch als Gefängis aktiv? Wären ca. 20 Gehminuten über die London Bridge gewesen.
schrieb am 02.02.18 um 15:17 Uhr:
Hehehe, wohl wahr! Fun Fact: Das Sackmesser habe ich vor Jahren von einem Schweizer Freund geschenkt bekommen, und ich hatte es an dem Tag nur dabei, weil ich am Abend zuvor nach Jahren den Mann in einem Londoner Pub getroffen hatte und ihm zeigen wollte, dass ich das Geschenk noch in Ehren halte - und am nächsten Tag wäre es beinahe weg gewsen...
schrieb am 13.03.20 um 06:59 Uhr:
Silencert : Wie groß war das "Minimesserchen" denn, war es ein Einhand,- oder Zweihandmesser ?
Ich trage in Deutschland fast immer ein "Martínez Albainox Navaja Bandolera N°4 Klingenlänge: 16,5 cm" herum und es gab noch keine Probleme !
schrieb am 16.03.20 um 10:25 Uhr:
Karl: Klingenlänge 6 cm, Nur deswegen habe ich es überhaupt wiederbekommen. Das Mitführen von Messern oder spitzen Gegenständen über 7.5 cm ist in UK eine Straftat, die tatsächlich auch hart verfolgt wird. Ob ein- oder Zweihandmesser ist dabei unerheblich.
Von daher: Schön, dass Du mit Deiner Machete noch keine Probleme hattest. Wenn Du willst, dass das so bleibt, nimm sie nicht mit nach UK.