Das Chaos scheint noch immer perfekt zu sein. Mitte November 2017 gab's auf einer Händlerseite einen Beitrag, welcher dann in diversen Motorradforen Wellen geschlagen hat. Inzwischen ist April 2018 und scheinbar ist noch immer vieles nicht klar – aber trotzdem ist es sehr, sehr ruhig um's Thema geworden.
Die Wellen sind deutlich flacher, man diskutiert in den Foren daher (wieder) eher über die Haftungseigenschaften vom Pneu XYZ auf einem Gemisch aus 40% Erde, 40% Schotter und 20% Sand bei 22,5°C an einem schattigen Nordhang in Fahrtrichtung Osten zur Sommersonnenwende um 15 Uhr nachmittags – und wird sich auch nach vier Seiten Diskussion nicht einig.
Zurück zum eigentlichen Thema. Die Gliederung des heutigen Beitrags:
Ich versuche sehr kompakt die Problemstellung zu erklären:
Zum 1. Januar 2018 trat der veränderte §36 StVZO in Kraft. Dort war definiert was ein Winterreifen ist (nämlich auch Reifen mit M+S-Kennzeichnung). Seit 1. Januar 2018 produzierte Winterreifen müssen nun das »Alpine«-Symbol tragen (dreizackiger Berg mit Schneeflocke innendrin, siehe Bild von einem PKW-Reifen weiter unten).
Dargestellter Sachverhalt auf der Website des Händlers: Weil der Winterreifen neu definiert wurde und im nationalen deutschen Recht die Ausnahmeregelung für Winterreifen mit niedrigerem Speedindex entfallen sind → wer sich Winterreifen mit einer DOT aus 2018 auf eine Maschine montiert welche eine höhere Geschwindigkeit erreichen kann als es der Speedindex des Reifens angibt, hat ein Problem (unzulässiger Pneu auf der Felge).
Zudem wird es keine »echten« neuen Winterreifen für Motorräder mehr geben da die Prüfverfahren für Winterreifen für das Alpine-Symbol nicht mit Motorradreifen durchgeführt werden können. Daher kann es auch in Zukunft keine Motorradreifen mit Alpine-Symbol geben. Da die situative Winterreifenpflicht für Krafträder (in Deutschland) Mitte 2017 entfallen ist, stört das eigentlich nicht weiter.
Hier mal die gestrichene Passage aus dem §36 StVZO, welcher bis zum 31. Dezember 2017 dort zu finden war und somit bis Ende 2017 galt:
Genau genommen wurde also alles gestrichen was mit ausschließlich (!) M+S-Kennzeichnung versehenen Reifen so gemacht werden darf und das soll ab jetzt sofort gelten. Aber natürlich keine Regel ohne Ausnahme: Wer im aktuellen §36 StVZO nachschaut findet unter (4a) die Ausnahmeregelung für alte Pneu:
Die Lösung für alle lag somit erst einmal auf der Hand: Besorgte Motorradfahrer waren nun im Kaufrausch. Was für manche Frauen angeblich der Wühltisch im Winterschlussverkauf war, waren nun die Onlineshops für die besorgten Motorradfahrer mit großen, schweren Enduros mit einer Vmax, welche gerne jenseits von 200 km/h liegt.
Man deckte sich mitten im Winter mit Reifen ein, welche man erst im Frühjahr oder Sommer montieren wird – Hauptsache nicht 2018 hergestellt sondern 2017 oder 2016 oder gar 2015?
Aktuell ist es trotz sommerlicher Temperaturen (wie schon eingangs geschrieben) ruhig geworden in den Foren. Draußen sind heute sogar bis zu 24°C in meinem PKW angezeigt worden (diesmal auch während der Fahrt, nicht nur auf dem Parkplatz). Also mutmaße ich: Die diskussionsfreudige Fraktion hat sich im November oder Dezember des letzten Jahres mit Reifen gut eingedeckt. Auch wenn manche Modelle einen Aufschlag von bis zu 100% auf den bisherigen Preis hatten (angeblich jedenfalls).
Der Rest leidet entweder still und meldet sich nicht oder ihm ist die ungeklärte Situation völlig egal.
Wo stehen wir denn gerade? Was sind die Meinungen? Ich habe viel gelesen und unterschiedlichste Standpunkte und Begründungen sind mir untergekommen. Ich habe sie kategorisiert und bin auf fünf unterschiedliche Sichtweisen gekommen.
Daher fasse ich mal die mir bekannten fünf Varianten für »große, schnelle Reiseenduros mit Vmax größer als Speedindex der Reifen« zusammen. Wohlgemerkt ist das eine Zusammenfassung von Meinungen, es sind keine rechtsverbindlichen Aussagen!
Variante #1:
Es wurde einfach kopiert und eingefügt was sich irgendwer als »worst case« ausgedacht hat. Sprich: Alle Motorräder sind nun arm dran da mit Herstellungsdatum ab 1. Kalenderwoche 2018 alles vorbei ist (für die großen, schweren, schnellen Reiseenduros jedenfalls).
Variante#2:
Wer eine EG-Zulassung bei seiner Maschine hat, kann dank der Reifenfreigabe (ebenfalls EG) seine Maschine weiter mit M+S Reifen und dem Aufkleber im Sichtbereich fortbewegen. EU-Recht bricht in diesem Fall nationales Recht (da die nationale Regelung nicht als Ausnahme im EU-Recht eingeräumt wurde).
Variante #3:
§72 StVZO: Absatz 1 Satz 1 wird so interpretiert, dass eine vor dem Stichtag 5. Mai 2012 zugelassene Maschine unabhängig von ihrer Zulassungsart (EG-Zulassung oder StVZO-Zulassung) weiter mit M+S Reifen gefahren werden darf (mit dem Aufkleber von wegen »Höchstgeschwindigkeit xxx km/h«).
Variante #4:
Wenn der Reifen in die Papiere eingetragen wurde, kann man ihn weiter aufziehen – auch mit Herstellung in 2018. Gilt auch für die M+S Reifen bei einigen Modellen bei denen sie im COC bzw. in der Betriebserlaubnis aufgeführt sind, da gilt dann das deutsche Konstrukt der »Reifenfabrikatsbindung«, welche ja unbedingt zu erfüllen ist.
Variante #5:
Wo kein Kläger da kein Richter. Welcher Polizist nimmt im Rahmen von gezielten Motorradkontrollen eine große Reiseenduro mit Alukoffern und hohem Windschild im ansonsten originalen Zustand »auseinander« wenn er problemlos 20–30 im Pulk fahrende Supersportler (oder Supermotos) mit einem Wink seiner Kelle rausziehen kann und vermutlich dann bei 10% davon Bremshebel ohne ABE, fehlende db-Eater, zu kleine Spiegel und zu knapp bemessenes Profil bemängeln kann? Ja, der Satz ist bewusst lang. Damit man ihn zwei, drei Mal lesen muss.
Meine ganz persönliche Meinung? Ich schließe mich der Variante 2 an – weil es mir so schön in den Kram passt und der ADAC dies auch 07/17 als seine Sicht in einem .pdf veröffentlicht hat.
Seit dem gab es leider (?) nichts Neues mehr. Die Reifenhersteller warten – laut Forenbeiträgen aus unbekannten da nicht genannten Quellen – auch auf Antworten. Also wartet auch der Rest der Motorradfahrer. Entweder aus Unwissenheit oder weil sie sich mit grobstolligen Reifen mit M+S-Kennung bis unter's Dach eingedeckt haben.
Warum ich das Thema gerade heute anspreche obwohl ich noch einige Beiträge »im Backup« habe? Weil ich heute die beiden Räder an meiner BMW ausgebaut und dem Reifenspezialisten meines Vertrauens gebracht habe.
Mündliche Zusage: Obwohl der »Laden brummt« (Wechsel von Winter- auf Sommerräder bei PKW) sind meine beiden Räder bis morgen fertig.
Ich soll einfach am Nachmittag anrufen und nachfragen damit ich nicht umsonst rausfahre falls es doch nicht klappt.
Das Ventilspiel wurde gestern überprüft und eingestellt, die beiden Zylinder synchronisiert. Sie schnurrt nun wieder wie sie vermutlich schnurren konnte als sie vor 18 Jahren ausgeliefert wurde.
Der Sturzbügel von Heed ist seit heute zur Mittagszeit auch wieder montiert und durfte auch gleich einem praktischen Verwendungszweck zugeführt werden.
Die BMW R 1150 GS ist primär frontlastig. Wenn nicht gerade der Tank so gut wie leer ist steht sie auf dem Hauptständer also liebend gerne auf dem Vorderrad. Baut man das Hinterrad aus ändert sich daran natürlich nichts, schließlich ist noch mehr Gewicht vor dem Hauptständer.
Was aber wenn man beide Räder ausbaut? Das wusste ich bisher nicht, jetzt bin ich schlauer: Die Maschine ist (nicht vollgetankt) dann fast ausgeglichen.
Daher musste ich mir etwas einfallen lassen. Ich habe wie auch sonst unter die Frontgabel einen Getränkekasten gestellt. Jedoch lag die Gabel da nicht wirklich auf sondern schwebte fast darüber. Also muss irgendwie Gewicht an die Front oder zumindest vor den Hauptständer.
Ein gefüllter Werkzeugkasten und zwei Spanngurte erledigten den Job.
Zwar ist noch immer nicht sonderlich viel Last auf dem Getränkekasten, aber das war ja auch nicht der Plan. Der Werkzeugkasten dient als Sicherung und der von den Gurten erzeugte Zug reicht aus das sie vorne »unten bleibt«. Davor hat es ausgereicht hinten auf den Gepäckträger eine Flasche Mineralwasser zu stellen und schon ging das Hinterteil nach unten.
Der Griff der Werkzeugkiste steht einfach nur so schief in der Gegend herum. Er liegt nicht am Gurtband an. Da die Räder mit den neuen Reifen mutmaßlich morgen schon wieder montiert werden können blieb das Werkzeug auch gleich griffbereit liegen... Außerhalb des anderweitig genutzten Werkzeugkastens.
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Datum: | 17.04.2018 |
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