Wer seine XJ 600 nach dem 1. Oktober 2005 erneut zugelassen oder umgemeldet hat, hat automatisch statt dem alten Brief und Schein die neuen Zulassungsbescheinigungen Teil II (Brief) und Teil I (Schein) erhalten.
Ein Blick in die Papiere hat bei manchem dann für Verwirrung gesorgt: Auf einmal ist dort ein Hinweis auf eine mögliche Reifenfabrikatsbindung zu finden. In den alten Papieren welche bei der Erstzulassung ausgestellt wurden war kein solcher Eintrag vorhanden.
Diese eine neu hinzugekommene Zeile hat für viel Unruhe und Kopfzerbrechen bei Kraftrad- und Motorradbesitzer gesorgt. Muss er nun immer einen Stapel Papier mitschleppen in welchem der Beamte dann bei einer Kontrolle erfolglos nach einer vorgeschriebenen Bereifung suchen darf – da schlichtweg keine vorhanden ist? Nein. Zwar gab es in den ersten Jahren nach der Einführung der neuen Papiere viele entsprechende Theorien in Internetforen, welche sich leider weiterhin wacker halten.
Wer sich seine Zulassungsbescheinigung Teil I genauer anschaut findet auf der Rückseite nämlich einen eigentlich gleichlautenden Text:
Dies bedeutet ebenfalls, dass wenn in der Typgenehmigung keine andere Einschränkung als die Dimensionen, Traglast und der Geschwindigkeitsindex vorhanden sind, die freie Wahl bezüglich Hersteller und Modell besteht.
Woher soll aber der Beamte wissen was denn nun in der Typgenehmigung, der Bedienungsanleitung oder der Einzelgenehmigung steht?
Das Problem: Er kann es nicht. Er muss sich nach dem richten was er bei einer Kontrolle zur Verfügung hat. In diesem Fall ist es der Eintrag in der Zulassungsbescheinigung Teil I bezüglich der Dimensionen, der Traglast und dem Geschwindigkeitsindex. Mehr hat er nicht.
Was aber wenn man bei einer Kontrolle in Deutschland vom Beamten aufgefordert wird man solle doch bitteschön beweisen, dass der aufgezogene BT 45 oder der Dunlop K275 wie bei der Erstbereifung legal ist?
In einem Beitrag in einem Forum wurde ich fündig. Dort hat jemand die Antwort auf seine Anfrage beim Kraftfahrbundesamt gepostet [1] welche diese Situation klärt:
Was bedeutet dies in der Praxis? Für die XJ 600 S/N gibt es keine Reifenfabrikatsbindung.
Dies kann direkt bei Yamaha hinterfragt werden oder – sofern vorhanden – durch einen Blick in den alten Brief geklärt werden. Dort gibt es keinerlei Eintragungen über irgendwelche Bindungen.
Von Reifenherstellern ausgestellte UBB (Unbedenklichkeitsbescheinigungen) sind daher nicht notwendig.
Würde eine bestehen, müsste sie in den Papieren eingetragen sein. Dies ist jedoch nicht der Fall. Daher gibt es bei einer Kontrolle durch die Polizei oder auch beim TÜV kein Problem mit einer sogenannten »Mischbereifung« mit Reifen von unterschiedlichen Herstellern oder von unterschiedlichen Modellen.
Was allerdings eingetragen sein könnte beziehungsweise auf was man nach dem Kauf und Ummelden achten sollte: Ob andere Reifengrößen nachträglich eingetragen wurden. Hat sich jemand beispielsweise einen 150er hinten eintragen lassen, so muss dies auch dementsprechend vermerkt werden. Der entsprechende Eintrag lautet beispielsweise »15.2: auch gen. 150/70-18«.
Im Zusammenhang mit diesem Reifen kann wiederum eine Reifenfabrikatsbindung bestehen, welche dann allerdings auch eingetragen sein müsste – und eigentlich nicht zulässig ist. Warum? Weil die Richtlinie 97/24/EC dies ausschließt. Allerdings beharrt man in Deutschland weiterhin darauf, dass Fahrzeuge ohne eine sogenannte »EG-Zulassung« ausschließlich unter die StVZO fallen und anderslautende EU-Richtlinien keinerlei Gültigkeit besitzen.
Damit sind wir wieder bei der XJ 600 S/N, welche – zumindest im Falle meiner XJ 600 S von '95 leider keine EG-Zulassung hat. Dies kann in der Zulassungsbescheinigung Teil I unter der Ziffer »K« (Nummer der EG Betriebserlaubnis oder ABE) und unter Ziffer »17« (Merkmal zur Betriebserlaubnis) überprüft werden. Ist unter »K« eine »EG-Nummer« (z.B. »e1-92/61-000000/00*«) eingetragen, handelt es sich um eine EG Betriebserlaubnis. Bei meiner XJ 600 ist ein »F945*« eingetragen (siehe auch auf dem rechten Bild in der Zulassungsbescheinigung Teil II). Unter Ziffer »17« ist angegeben, ob das Fahrzeug im Serienzustand ist (K = konform) oder ob etwas verändert wurde (A = abweichend; E = Einzelabnahme) oder ob es sich um ein Importfahrzeug handelt (Z = Fahrzeug aufgrund einer Zulassungsbescheinigung Teil I aus einem anderen Mitgliedstaat zugelassen).
Wäre meine XJ 600 S bereits eine sogenannte »EG-Zulassung« müsste im alten Brief das rot markierte Feld mit der Nummer der EG-Typbescheinigung gefüllt sein.
Daher abschließend noch ein paar Zeilen darüber, dass man zu Unrecht die Übeltäter für den Eintrag in Brüssel beziehungsweise auf EU-Ebene sucht. Die Reifenfabrikatsbindung ist eine deutsche Erfindung mit welcher nur wir Deutschen uns herumplagen dürfen.
Seit 2000 und somit über 11 Jahren schwelt das Problem mit der Reifenfabrikatsbindung. Eine Anfrage aus eben diesem Jahr an die Kommission wurde wie folgt beantwortet[2]:
Schizophren ist bei dem Thema ebenfalls, dass die freie Wahl von Hersteller und Modell in anderen Ländern der Welt nie ein Thema war. Schaue ich von mir aus etwa 100 km in den Südwesten gibt es gar keine Frage ob Hersteller oder Modell zulässig sind. Man schaut nach den Eigenschaften, ob die Reifen gut bei Nässe haften und wie lange die Laufzeit in Kilometern so aussieht. In der Schweiz schüttelt man über die deutsche Erfindung der Reifenfabrikatsbindung ungläubig den Kopf und fährt mit der bestmöglichen Bereifung.
Statt der bestmöglichen Bereifung wird der deutsche Kraftradbesitzer (teilweise) gesetzlich gezwungen Reifen zu verwenden welche vor 20 oder noch mehr Jahren entwickelt wurden. Wie das mit »aus Gründen der Sicherheit« zu vereinen ist und aktuelle, neuere Entwicklungen von Reifenherstellern nicht verwendet werden dürfen muss mir wohl noch einmal jemand genau erklären.
Übrigens: Eigentlich stellt die Reifenfabrikatsbindung eine Behinderung des freien Wettbewerbes in der reifenherstellenden Industrie dar. Ein Schelm wer Böses dabei denkt?
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Datum: | 27.07.2011 |
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